Nach dem vermutlichen Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt soll auch die Polizei in Österreich auf öffentlichen Plätzen präsenter sein. Bis 9. Jänner ist sie in verstärkter Alarmbereitschaft.
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Wien/Berlin. Kaum einer geht dieser Tage unbeschwert über den Christkindlmarkt auf dem Wiener Rathausplatz. Über den Weihnachtsmarkt Am Spittelberg oder den Adventmarkt vor der Karlskirche. Zu tief sitzt der Schock nach dem vermeintlichen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vor der Gedächtniskirche in Berlin, bei dem ein Lkw-Fahrer durch die Menge raste und zwölf Menschen getötet wurden. Unweigerlich stellt man sich nun auch hier in Österreich die Frage, auf welchen Weihnachtsmarkt ein Lastauto zufahren könnte - und auf welchem man wohl sicherer ist.
Zumindest das Sicherheitsgefühl soll künftig ein höheres sein. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat die Landespolizeidirektion angewiesen, auf öffentlichen Plätzen erhöhte Präsenz zu zeigen. Bis 9. Jänner sollen die österreichischen Sicherheitskräfte - die Einsatzeinheiten der Polizei, die Cobra und die Flughafenpolizei - in verstärkte Alarmbereitschaft versetzt werden. In der "ZiB24" direkt nach dem Anschlag berichtete Sobotka, seit Montagabend mit dem deutschen Innenministerium in Verbindung zu stehen und auch bereits den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Konrad Kogler und weitere Experten einberufen zu haben.
Keine konkreten Hinweise auf Verbindungen nach Österreich
Für Verbindungen nach Österreich gebe es keine Hinweise, erklärte der Innenminister, der den Opfern und Hinterbliebenen in Berlin sein tiefes Beileid und Mitgefühl ausdrückte. Allerdings bestätigte er, dass erst am Montag wieder Verdächtige verhaftet worden waren, "um potenzielle Attentäter aus dem Verkehr zu ziehen". Damit bezog sich Sobotka offenbar auf die Verhaftung eines oder mehrerer Flüchtlinge in der Salzburger Gemeinde Fuschl. Der Hauptverdächtige sollte ein 25-jähriger Marokkaner gewesen sein.
Am Dienstagnachmittag kam von der Staatsanwaltschaft Salzburg jedoch Entwarnung. Es habe zwar offenbar Gespräche über einen terroristischen Anschlag in Salzburg in der Zeit von Weihnachten bis Silvester gegeben, hieß es - nach der am Montag durchgeführten Hausdurchsuchung kamen aber keine unmittelbar für die Durchführung eines Anschlags erforderlichen Materialien zum Vorschein. Es seien Suchtgift und Bargeld in Höhe von etwa achttausend Euro sowie mehrere elektronische Geräte sichergestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Untersuchungshaft über den Marokkaner beantragt. Gegen weitere als Beschuldigte geführte Mitbewohner des Marokkaners bestünden ebenfalls keine hinreichenden Verdachtsmomente der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.
Für den Innenminister handelt es sich jedenfalls um eine Situation, die zu größter Vorsicht mahnt. Österreich sei an sich gut gewappnet. Es werde aber nie "hundertprozentig gelingen, uns zu schützen". "Ich glaube, absolute Sicherheit gibt es nicht", sagte auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Immerhin gibt es laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung 295 Dschihadisten in Österreich. Schwerpunkte befänden sich in Wien, Niederösterreich und in der Steiermark.
Weihnachtsmärkte nun zu meiden, sei aber auch nicht richtig, sagte Sobotka. "Wir können diesem Terror nicht weichen, gerade eine freie und demokratische Gesellschaft muss auch die Kraft haben, dem zu widerstehen."
Ähnlich sieht es die Wiener Stadtregierung. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betonte am Dienstag, dass er als Konsequenz auf den Anschlag in Berlin nun keine Christkindlmärkte hinter hohen Mauern möchte. "Man kann das öffentliche Leben nicht wegsperren", hieß es auch aus der Magistratsdirektion. "Wenn jemand einen Terroranschlag vorhat, wird er ihn auch durchführen." Man müsse einen kühlen Kopf bewahren, um sich auf die Sicherheitsvorkehrungen konzentrieren zu können. Hysterie und Panikmache würden dem nur entgegenwirken.
Die Wiener Polizei hat laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer die Präsenz ihrer Beamten an neuralgischen Punkten der Bundeshauptstadt erhöht. Ein Teil der zusätzlichen Maßnahmen sei sichtbar, ein anderer nicht. Mit neuralgischen Punkten seien alle Orte der Stadt gemeint, an denen größere Menschenansammlungen zu erwarten sind oder die durch ihre Natur besonders im Fokus von Terroristen stehen könnten: Märkte, Einkaufsstraßen, aber auch diplomatische Vertretungen, Regierungsgebäude, Quartiere internationaler Organisationen und Ähnliches mehr.
Sicherheitskonzepte fürWiener Christkindlmärkte
"Außerdem gibt es seitens der Landespolizeidirektion Kontakt mit den Veranstaltungsbehörden der Wiener Christkindlmärkte. "Die Sicherheitskonzepte werden überprüft", sagte Maierhofer. Der Sprecher betonte, es gebe keinen konkreten Hinweis, dass eine Attacke geplant sei. "Es gilt aber weiterhin eine allgemein erhöhte Gefahr wie in ganz Europa." Bezüglich Erkenntnissen aus dem Anschlag in Berlin sei man mit den deutschen Behörden in Kontakt.
Das bestehende Sicherheitskonzept auf dem Christkindlmarkt vor dem Wiener Rathaus beinhalte eine Sicherheitszentrale sowie Securities an Ort und Stelle, hieß es von den Veranstaltern. "Wir arbeiten sehr eng mit der Polizei zusammen." Die Security-Mitarbeiter seien über Fluchtwege und darüber, wie der Markt evakuiert werden kann, informiert. Auch was den Brandschutz betrifft, gebe es Vorkehrungen.
Der Wiener Silvesterpfad wird ebenfalls stattfinden. Eine Absage der Veranstaltung mit jährlich mehreren hunderttausend Besuchern stehe nicht im Raum, sagte eine Sprecherin vom Veranstalter Stadt Wien Marketing. Trotz der Ereignisse in Berlin habe sich an der seit 2015 bestehenden Einschätzung einer "erhöhten abstrakten Gefährdungslage" nichts geändert.
Die Fahnen auf und vor dem Parlamentsgebäude in Wien sind seit Dienstag 9.30 Uhr bis Mittwoch Sonnenuntergang auf halbmast gesetzt. Die Trauerbeflaggung stehe im Zeichen der tiefen Betroffenheit über den Anschlag in Berlin und der vollen Solidarität des österreichischen Parlaments gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in diesen Stunden, teilte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) mit. "Ziel dieser feigen Attacke sind auch unsere europäischen Grundwerte, die aber stärker sind als der blinde Hass der Terroristen", erklärte sie in einer Aussendung.
"Der Anschlag in Berlin richtet sich gegen unsere Lebensweise", sagte der designierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Wir müssen dem Terror mit allen rechtsstaatlichen Mitteln begegnen sowie die Freiheit unserer Gesellschaft und unsere demokratischen Grundwerte verteidigen."
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sprach von einer "entsetzlichen Tragödie", Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) versicherte Deutschland die Solidarität Österreichs. Mit Erschütterung hat auch die parlamentarische Opposition auf den Anschlag reagiert.
"Gemeinsam Sicher" wirdab 1. Jänner intensiviert
Sobotka will den Terror nun präventiv bekämpfen: Verdächtige würden überwacht, die Bevölkerung sei aufgerufen, verdächtige Vorfälle zu melden. Diesbezüglich werde man ab 1. Jänner das Programm "Gemeinsam Sicher" intensivieren. Erfolge sieht er bei der "Deradikalisierung". Waren es im Vorjahr noch 115 Fälle, seien es heuer nur noch 15 gewesen. Außerdem müsse die EU-Außengrenze gesichert und die Flüchtlingsbewegung über das Mittelmeer "abgestellt" werden. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) will die Kontrollen im Grenzraum am Brenner noch intensivieren.
Der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer hat angesichts des Anschlagsd den Terrorismus als ein "entsetzliches Phänomen" bezeichnet. Der Terror sei aber nichts, was "auf Dauer die Demokratie und die offene, pluralistischen Gesellschaft" besiegen könne, sagte er im ORF-Report am Dienstagabend. "Der Terrorismus wird verlieren", so der Ex-Präsident. Fischer verwies darauf, dass Terrorismus auch geschichtlich gesehen "nie die Oberhand behalten" habe: "Der Terrorismus wird eine Episode bleiben".