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Noch nie standen die Chancen auf eine Einigung im Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland so gut.
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Wien. Alexander der Große hat den Flughafen verlassen. Sein Name prangt nicht mehr über dem Gebäude, seine Statue steht nicht mehr in der Halle. Reisende kommen nun am Internationalen Flughafen von Skopje an. Auch die Nord-Süd-Autobahn in Mazedonien trägt nicht mehr den Namen des antiken Eroberers, sondern heißt mittlerweile "Straße der Freundschaft". In den vergangenen Wochen hat die mazedonische Regierung mit diesen Umbenennungen wohlwollende Reaktionen im benachbarten Griechenland geerntet. Denn Athen protestiert seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen die "Vereinnahmung" des Helden - und vor allem gegen die Bezeichnung des Staates als Mazedonien, wie auch eine Region in Nord-Griechenland heißt.
Der ungelöste Namensstreit und die Blockade durch Athen verhinderten bisher eine Aufnahme des Westbalkan-Landes in die Nato und erschwerten die Annäherung an die EU. Doch hat sich die Atmosphäre zwischen den Hauptstädten in den vergangenen Monaten - nach einem Regierungswechsel von einer nationalkonservativen zu einer sozialdemokratischen Fraktion in Mazedonien - spürbar entspannt, und Verhandlungen finden nicht nur auf technischer Ebene, sondern im direkten Gespräch zwischen Spitzenpolitikern statt. So traf in Wien am Freitag der griechische Außenminister Nikos Kotzias seinen mazedonischen Amtskollegen Nikola Dimitrow. Eine Einigung konnte der Vermittler der Vereinten Nationen, Matthew Nimetz, danach nicht verkünden. Dennoch sprach er von einer "großen Verbesserung" in mehreren Punkten. So könnte das Land, das derzeit international als FYROM (Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien) bezeichnet wird, künftig Ober-Mazedonien oder Republik Nord-Mazedonien heißen.
Die Zeit für eine Lösung sei jedenfalls reif - und beide Staaten bräuchten sie, meint Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP). "Nach einer langen Periode gegenseitiger Blockaden haben beide Seiten kleine Schritte aufeinander zu gemacht", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mazedonien ist an einer Mitgliedschaft in der Nato und der EU interessiert, und Griechenland könnte mit einem Einlenken sein Image in der Gemeinschaft nur verbessern.
Dennoch werde es in beiden Ländern Widerstand gegen eine Lösung geben und werden Menschen auf die Straße gehen, stellt Dzihic fest: "Auch in der Politik gibt es sehr starke Emotionen, die mit nationalistischen Energien ausgestattet werden können." Daher sei die Situation für beide Regierungen heikel: Einen Kompromiss müssten die Politiker in ihrem Land erst einmal verkaufen. Eine subtile und behutsame Kommunikationspolitik auf beiden Seiten sei laut dem Politologen unerlässlich. Dafür seien Wochen und Monate nötig, doch eine Einigung zwischen den Nachbarn bis Sommer sei möglich: "Es kann gelingen, weil die Karten so gut daliegen wie seit zwei Jahrzehnten nicht."
Spielraum wird enger
Weniger optimistisch zeigt sich Dusan Reljic, Leiter des Brüsseler Büros der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Zwar räumt auch er ein, dass die Chancen auf eine Einigung so groß wie selten zuvor sind und positive Signale ausgesandt wurden. Jedoch sieht er die Aussichten auf eine Lösung schon wieder geringer werden. "Je mehr Zeit vergeht, umso rapider schließt sich das Fenster", sagt der Balkan-Experte und verweist ebenfalls auf die politischen Konstellationen.
Vor allem für den linken griechischen Premier Alexis Tsipras werde der Spielraum enger. Sein Verteidigungsminister gehört der rechtspopulistischen Partei Anel an, und auch aus der rechten sowie konservativen Opposition - wie Nea Dimokratia - kommt Druck, Skopje keine Zugeständnisse zu gewähren. Der Zwist hat Mobilisierungspotenzial: Im Februar demonstrierten zehntausende Griechen gegen einen Kompromiss mit dem Nachbarland. Und in den Kampagnen vor der Parlamentswahl, die im kommenden Jahr stattfindet, könnten die Parteien nationalistische Gefühle weiter schüren.
Die EU wird das kaum verhindern können. Doch ortet Reljic eine andere Möglichkeit der Einflussnahme: über Regierungen der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament. "Vertreter der konservativen Parteienfamilie könnten auf Nea Dimokratia einwirken, das Thema im Wahlkampf nicht auszuschlachten und damit Tsipras die Luft abzuschnüren." Allerdings sind solche Versuche bis jetzt kaum sichtbar. "Niemand will sich bei dem Streit die Finger verbrennen", erklärt Reljic.
Doch ebenso wenig befindet sich das Kabinett in Skopje in einer komfortablen Position. Die Koalition aus Sozialdemokraten und albanischen Parteien verfügt nur über eine dünne Regierungsmehrheit, und die nationalkonservative Opposition kann sie unter Druck setzen. Hinzu kommt, dass eine griechische Maximalforderung auch in der Bevölkerung kaum akzeptabel wäre. Griechenland wolle das Mazedonische nicht nur aus dem Staatsnamen streichen, sondern auch aus der Sprache sowie der Volksgruppenbezeichnung, erläutert Reljic. "Das geht direkt an die Identität." Das aber ist für Skopje eine rote Linie.