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Alexander Van der Bellens Kür

Von Patrick Krammer

Politik
Stehende Ovationen vor und nach der Angelobung für den neuen Bundespräsidenten.
© Matthias Cremer

Für seine zweite Amtszeit kündigte der Bundespräsident eine schärfere Akzentuierung seiner Rolle an.


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Der historische Sitzungssaal im frisch renovierten Parlamentsgebäude wird nur für besondere Anlässe genutzt. Hier wird getrauert, wenn bedeutende Politikerinnen und Politiker verstorben sind, oder gefeiert, wenn es wichtige Festakte gibt. Alljährlich im Mai findet eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Und alle sechs Jahre kommt hier die Bundesversammlung aus Nationalrat und Bundesrat zusammen, um einen Bundespräsidenten anzugeloben. Die einzige andere Funktion der Bundesversammlung ist neben Akten, die das Amt des Bundespräsidenten betreffen, der Beschluss einer Kriegserklärung.

Am Donnerstag trat die 19. Bundesversammlung zusammen, um Alexander Van der Bellen für seine zweite Amtszeit als österreichischen Bundespräsidenten anzugeloben. Gefolgt von stehenden Ovationen der Abgeordneten und Ehrengäste wie Van der Bellens Vorgänger Heinz Fischer, Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und den neun Landeshauptleuten, sprach Van der Bellen die Angelobungsformel. Auf das "So wahr mir Gott helfe" verzichtete Van der Bellen wie schon bei seiner ersten Angelobung 2017.

Eine Ode an den Kompromiss als gemeinsame Lösung

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bedankte sich bei Van der Bellen für dessen Arbeit in den vergangenen Jahren. "Das Amt des Bundespräsidenten ist von zentraler Bedeutung", er sei der Wahrer des rechtsstaatlichen Verfahrens, so Sobotka weiter. Van der Bellen sei in seiner ersten Amtszeit ein Türöffner und Brückenbauer gewesen, der sich vom tagespolitischen Geschehen nicht "in Geiselhaft" hat nehmen lassen. Van der Bellen habe einen "wesentlichen Beitrag zur "Stabilität in unserem Heimatland geleistet", bedankte sich Sobotka. Ähnliches gab es auch von Günter Kovacs (SPÖ), Präsident des Bundesrates, zu hören. Der Bundespräsident stehe für Stabilität, Kontinuität und Umsicht.

Van der Bellen sprach in seiner rund 30-minütigen Rede von Gemeinsamen, der nötigen Zusammenarbeit und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Diese Hoffnung spüre er derzeit nicht. Man müsse alles tun, um der Jugend diese Hoffnung zurückzugeben.

Rede des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zur Angelobung für seine zweite Amtszeit

Ein Kompromiss, so Van der Bellen weiter, sei "das Herzstück unserer Demokratie", eine "gemeinsame Lösung", die nichts Schlechtes sei. Amüsant wurde es anschließend, als er die Anwesenden bat, ihre Sitznachbarn anzusehen. "Es ist schon klar, Sie können nicht jede und jeden leiden", meinte der Bundespräsident unter Gelächter, aber wie könne man von den Österreichern verlangen, für das Wohl des Landes zusammenzuarbeiten, wenn man das nicht einmal im Parlament schaffe? "Wir können auch mit Menschen auskommen, die mit unserer persönlichen Weltsicht sehr wenig zu tun haben", sprach sich Van der Bellen für mehr gegenseitigen Respekt aus, bevor er eine Lanze für den Journalismus brach, der eine wichtige Funktion für die Demokratie einnehme und ausreichend finanziert werden müsse.

FPÖ mit demonstrativem Widerwillen

Von der Politik forderte er ein evidenzbasiertes Agieren, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Sie müsse zudem den Staat als Ganzes und nicht nur die Interessen Einzelner im Auge haben. "Politik muss Lösungen vorschlagen" und ohne Blick auf Schlagzeilen langfristig planen, so Van der Bellen. Ein Fokus müsse außerdem auf der Gleichbehandlung von Frauen und Mädchen liegen.

Einen Tag, nachdem Van der Bellen eine mögliche Regierungsbeauftragung von FPÖ-Chef Herbert Kickl infrage gestellt hatte, saß dieser in der ersten Reihe und machte eine gute Miene zum für die FPÖ anscheinend bösen Spiel. In einem ORF-Interview am Mittwoch hatte Van der Bellen betont, dass er "eine anti-europäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt", nicht auch noch "befördern" wolle. Dementsprechend wenig enthusiastisch zeigte sich die freiheitliche Fraktion bei dem Festakt. Nach Van der Bellens offizieller Angelobung gab es nur einen kurzen Anstandsapplaus, den der in der ersten Reihe sitzende Bundesrat Christoph Steiner gänzlich verweigerte.

Die FPÖ-Abgeordneten zeigten sich von seiner Rede wenig begeistert.
© Matthias Cremer

Er war nicht der Einzige: Geradezu demonstrativ verweigerte die ganze Fraktion den Applaus, als Van der Bellen sagte, dass ein Ausstieg aus der EU ein Spiel "mit der Zukunft Österreichs" sei. Von der FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch gab es kurze Zeit später wütende Zwischenrufe, als Van der Bellen die Grund-, Freiheits- und Menschenrechte als unantastbar beschrieb. Kickl lächelte sarkastisch und FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker griff sich kopfschüttelnd an den Kopf. Selbst bei Van der Bellens Satz, dass sich der Nationalsozialismus niemals wiederholen dürfe, soll die FPÖ still gewesen sein, wie mehrere Abgeordnete im Anschluss berichteten. Die Kamerabilder fingen das kaum ein. Nach der zum Abschluss des Festaktes gespielten Bundeshymne ging die FPÖ geschlossen aus dem Raum, während es im historischen Saal für Van der Bellen ein letztes Mal stehende Ovationen gab.

Einen Schnaps für den Oberbefehlshaber

Im Anschluss führte das Militär seinen traditionellen Festakt durch, den das Ehrenbataillon der Garde ausrichtete. In einer Rede bedankte sich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) beim Heeresoberbefehlshaber für dessen Einsatz bei der Erhöhung des Heeresbudgets.

Militärischer Festakt des Ehrenbataillons der Garde zur Begrüßung für den Bundespräsidenten.
© Cremer

Auf den militärischen Festakt folgte ein "landesüblicher Empfang" des Landes Tirol, das die Bundesländer vertrat. Es gab eine Zeremonie der Schützen aus dem Zillertal und für Van der Bellen einen Schnaps. Danach lud er Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in die Hofburg, wo ihm die Bundesregierung traditionell den Rücktritt anbot. Van der Bellen lehnte dankend ab.