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Algen statt Getreide - die Umkehr beim Biosprit

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner und Klaus Huhold

Politik

EU will neue Biokraftstoffe fördern, doch an diesen muss noch geforscht werden.


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Brüssel/Berlin. Weniger Biosprit aus Zuckerrüben und Getreide, dafür mehr Kraftstoff aus Algen oder Stroh. Derart lässt sich der jüngste Vorstoß von EU-Energiekommissar Günther Oettinger und Klimakommissarin Connie Hedegaard zur Biospritpolitik der EU zusammenfassen. Der Anteil von Biosprit aus Nahrungspflanzen im Verkehrsbereich soll bis zum Jahr 2020 auf fünf Prozent beschränkt werden, ursprünglich waren zehn Prozent vorgesehen.

Zurzeit wird aus Zuckerrüben und Getreide Biosprit "E10" produziert und aus Raps Biodiesel - die "erste Generation" Biokraftstoffe. Doch diese war immer mehr in die Kritik geraten: Wald muss dafür gerodet werden - schlecht für die Klimabilanz. Zudem wird nun Getreide für Sprit anstatt für Nahrungsmittel verwendet, was sich vor allem aufgrund der Verknappung der Rohstoffe schwere Folgen für die Entwicklungsländern hat.

Nun will die Kommission Biosprit aus der zweiten Generation, der etwa aus Algen oder Holz gewonnen wird, fördern. Dieser soll nicht derart negative Effekte haben. Doch sind diese Hoffnungen berechtigt?

Mikroalgen etwa werden immer wieder als wahres Wundermittel genannt. Anders, als es bei Palmöl geschieht, würde für die Algenzüchtung wohl niemals Regenwald gerodet. Und anders als es bei Getreide der Fall ist, gäbe es keine Diskussion darüber, ob Lebensmittel verheizt werden. Die Algenzüchtung hätte noch einen Vorteil: Auf geringer Fläche könnte sehr viel Masse produziert werden - es bräuchte keine Äcker, theoretisch können Algen auch auf Dächern gezüchtet werden.

Etliches liegt derzeit aber noch im Dunkeln, darunter auch, ob die CO2-Bilanz besser ausfallen wird als bei herkömmlichem Kraftstoff. Geforscht wird an vielen Stellen. Wissenschafter beschäftigen sich zurzeit etwa mit der Frage nach der optimalen Größe von Gefäßen für die Algen - je nach Region und Witterungsbedingungen geht es um kleine und große Reaktoren. Denn Algen benötigen sehr viel Licht und hohe Temperaturen - das treibt die Betriebskosten in die Höhe. Zudem sind die Kultivierungssysteme teuer. Doch Wissenschafter träumen davon, in Ländern, in denen die Sonne kräftig scheint, große Zuchtstationen aufzubauen. Je höher die Effektivität, je mehr Masse gezüchtet werden kann, umso geringer werden freilich die Kosten. "Davon hängt es im Moment ab", sagt Ines Gromes vom Institut für Getreideverarbeitung in Potsdam. Man arbeite mit Hochdruck daran, Bioreaktoren zu entwickeln, die "sehr, sehr effizient" sind und sei "guter Hoffnung": In etwa fünf bis acht Jahren könnte demnach Algensprit in großen Mengen herstellbar sein und somit mit konventionellem Kraftstoff konkurrenzfähig.

Rätseln um die Effizienz

Torsten Gabriel von der Fachagentur "Nachwachsende Rohstoffe" findet das zu optimistisch. Wie Gabriel beurteilen auch andere Experten für Biokraftstoffe die sogenannte zweite Generation zurückhaltend. Man wisse schlicht noch zu wenig über deren Entwicklung und Wirtschaftlichkeit. Das trifft etwa auch auf Versuche zu, Ethanol aus Zellulose, also aus Holz und Stroh, zu gewinnen. Der Ausgang der Forschung in diesem Bereich ist ungewiss. Auch über die Preise kann zurzeit keine seriöse Aussage getroffen werden.

Eine weitere Hoffnung der "zweiten Generation" beruht auf Abfällen, etwa von Schlachtereien. Allerdings, sagt Experte Gabriel, würden Abfälle ja schon jetzt weitgehend verarbeitet. Wahnsinnig viel stünde also nicht zur Verfügung - außer, man importiert.

Die EU-Kommission will jedenfalls am Ziel festhalten, den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor bis zum Jahr 2020 auf zehn Prozent zu steigern. Dabei handelt es sich nicht nur um Biosprit, sondern auch Elektroautos fallen darunter. Doch auch hier muss laut Experten noch viel geforscht werden, um diese wirtschaftlich zu machen.

Der Kommissionsvorstoß ist aber erst ein Vorschlag. EU-Staaten und das EU-Parlament müssen noch zustimmen. Und bei Kommissionsvorschlägen kommt es immer wieder zu Abänderungsanträgen. Es wird wohl noch ein kräftiges Ringen um die Gunst der Politiker werden: Industrie und Bauernverbände haben schon heftig gegen die Reduktion des Biosprits der "ersten Generation" protestiert. Die EU- Landwirtschafts- und Biokraftstoff-Industrie fürchtet einen "zerstörerischen Einfluss" auf ihren Industriezweig. Manchen Umweltschutzorganisationen wiederum geht der Vorschlag der Kommission nicht weit genug.