Nouria Benghebrit will das marode Bildungssystem wieder auf Vordermann bringen.
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Als Nouria Benghebrit gefragt wurde, ob sie Ministerin werden möchte, dachte sie zuerst an einen Scherz. Immerhin hatte sie sich davor noch nie in ihrem Leben in die Niederungen der Politik begeben. Doch für den algerischen Ministerpräsidenten hatte die Soziologin und Leiterin des Staatliche Instituts für Anthropologie genau das richtige Rüstzeug, um das marode algerische Bildungssystem auf Vordermann zu bringen. Über dieses wird scherzhaft gesagt, dass es Analphabeten in drei Sprachen (Arabisch, Mazirisch, Französisch) hervorbringe. Eine Kommission, die den Bildungsstand in Algerien untersuchte, konstatierte schwere Defizite der Algerier beim Erlernen von Sprachen, und zwar sowohl ausländischer als auch heimischer. Hinzu kommen Schwierigkeiten in naturwissenschaftlichen Fächern. Von 100 Schülern, die in die Volksschule eintreten, schaffen es nur fünf die Matura zu machen, ohne zumindest einmal sitzengeblieben zu sein, berichtet das französische Wochenmagazin "Jeune Afrique". Die Idee, hier etwas zu bewegen, gefiel Benghebrit und sie akzeptierte den Posten als Bildungsministerin. Sie machte sich sogleich daran, Privilegien abzubauen und die Lobbys zu zerschlagen, die seit Jahrzehnten die algerischen Schulen kontrollieren. Das machte sie beeidruckend effektiv. Sie schaffte es sogar, die mächtigen Gewerkschaften auf ihre Seite zu bekommen. Früher war der Bildungssektor durch die höchste Streikrate im Land geprägt. Doch Benghebrit verhandelte mit den Gewerkschaften und brachte sie dazu, ein Ethik und Stabilitätsabkommen zu unterzeichnen. Seither gehören sie zu ihren großen Unterstützern, die ihr auch den Ehrentitel "Eiserne Lady" verpasst haben. Schon bald ließ Benghebrit erneut aufhorchen, als sie verkündete, dass künftig an den algerischen Volksschulen algerisches Arabisch unterrichtet werde. Dieses ist die Muttersprache von 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung und so gut wie jeder Algerier spricht es, allerdings wird in den Bildungseinrichtungen, Ämtern, staatlichen Medien und offiziellen Angelegenheiten Hocharabisch verwendet. Für viele, zumal konservativ-islamische Menschen, avancierte Benghebrit damit zum Hassobjekt. Denn der Unterricht des algerischen Arabisch stellt einen Bruch zum bisher unterrichteten klassischen Arabisch dar - der Sprache des Korans. Dass dieser Plan das Sprachenproblem der Algerier an der Wurzel packen würde und zuerst einmal für eine solide Ausbildung in der dominanten algerischen Muttersprache sorgen würde, die später für ein leichteres Erlernen des Hocharabischen und anderer Sprachen sorgen würde, interessiert da die Konservativen wenig. Noch dazu, wo sich ein besonderer Nebeneffekt einstellen könnte: die Stärkung der nationalen Identität. Die Schüler würden damit beginnen, zuerst einmal Algerier zu sein, bevor sie Moslems, Araber oder Berber sind. Von den Muslimbrüdern nahestehenden Politikern wird Benghebrit nun als "nationale Gefahr" beschrieben. Im Internet sind Mordaufrufe gegen sie an der Tagesordnung. Doch davon lässt sich die "Eiserne Lady Algeriens" nicht beeindrucken. Denn als Mutter von zwei Kindern weiß die 65-Jährige, was sie der kommenden Generation schuldig ist.