Am Freitag werden erneut Proteste erwartet. Präsident Bouteflika kommt immer mehr unter Druck.
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Algier/Wien. Es wird immer einsamer um Algeriens Präsidenten. Selbst die eigene Partei FLN distanziert sich bereits von Abdelaziz Bouteflika, gegen den regelmäßig Massendemonstrationen stattfinden. "Die Söhne der Nationalen Befreiungsfront unterstützen diese Volksbewegung uneingeschränkt", sagte der Anführer der FLN, Mouad Bouchareb vor Parteifreunden, die ihn dafür mit lang anhaltendem Applaus bedachten. Und auch Armeechef Ahmed Gaid Salah sprach von "noblen Zielen und Intentionen" der Demonstranten.
Doch Bouteflika ist trotzdem noch im Amt. Der 82-Jährige regiert das Land seit 20 Jahren, ist herzkrank und kann kaum noch sprechen. Viele Algerier halten ihn nicht für fähig, weiter an der Staatsspitze zu stehen. Bouteflika hat zwar auf eine fünfte Amtszeit verzichtet, aber seine vierte verlängert: Er will erst abtreten, wenn ein "nationaler Dialog" für politische Reformen gesorgt hat.
Heterogene Protestbewegung
Solange Bouteflika an der Macht ist, werden aber die Proteste weitergehen. So werden auch für diesen Freitag Massendemonstrationen in den Großstädten erwartet. Die Demonstranten bestehen darauf, dass Bouteflika spätestens am Ende seiner jetzigen Amtszeit, also am 28. April, abtritt.
Die jüngsten Wortmeldungen in der FLN deuten darauf hin, dass Bouteflika innerhalb der Machtelite bald fallen gelassen wird. Fraglich ist aber, ob sich die Demonstranten damit zufriedengeben. Denn bei dem Protest geht es nicht nur um Bouteflika. Er speist sich aus Frust über ein "korruptes Patronagesystem" und die "Hoffnungslosigkeit am Arbeitsmarkt", auf dem vor allem jungen Leuten wenig Perspektiven haben, sagt die Politologin Maria Josua vom deutschen Giga-Institut für Nahoststudien. Viele Demonstranten fordern daher einen Regimewechsel in dem autoritären Staat, in dem die Medien nicht frei sind, ein Parlament zwar gewählt wird, aber nur als Showbühne gilt.
Zum Problem könnte dabei aber die Heterogenität der Protestbewegung werden: Sie wird zwar von vielen Bevölkerungsschichten getragen, hat aber keine von allen anerkannten Vertreter und sie hat auch noch kaum konkrete Forderungen vorgelegt.
Tage der Ungewissheit
Dass sich nun die engsten Weggefährten von Bouteflika abwenden, hält Josua für einen "Taschenspielertrick". "Sie sehen ihre Felle davonschwimmen und versuchen zu retten, was zu retten ist", sagt sie der "Wiener Zeitung". Dass die Machtelite an einem grundlegenden Wandel interessiert ist, glaubt die Algerien-Expertin nicht. "Die Fallhöhe ist wohl für viele in der Elite enorm hoch."
Hinzu kommt: Schon einmal ist das Regime zu einer Öffnung gezwungen worden. Die Wahlen Anfang der 1990er gewannen dann aber die Islamisten. Das Militär hat daraufhin geputscht, und es folgte ein Bürgerkrieg zwischen Armee und Islamisten. "Deshalb ist das Regime viel vorsichtiger geworden, welche Zugeständnisse es macht", sagt Josua.
Allerdings ist momentan vieles im Ungewissen: Innerhalb der Elite - dazu zählen Politiker der FLN, Militärs, Geschäftsleute und Geheimdienstler - scheint es Risse zu geben. Das wird dadurch offensichtlich, dass sich die herrschenden Clans, die sich vieles im Verborgenen ausmachen, noch nicht auf einen Nachfolger für Bouteflika haben einigen können. Gleichzeitig ist derzeit nicht abzusehen, wie sehr die Protestbewegung noch anschwellen und wohin sie führen wird.