Die Liebesgöttin hat die Klimakatastrophe schon erlitten. Heute glüht das Antlitz der Venus mit 460 Grad Celsius. Schuld ist die vor allem aus Kohlendioxid geformte Atmosphäre. Sie drückt gut 90-mal stärker auf die Planetenoberfläche als unsere Lufthülle auf den Erdboden. Vor einigen Milliarden Jahren herrschten dort aber vielleicht lieblichere Bedingungen. Die Venus mag von Ozeanen bedeckt gewesen sein sein.
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Wenn diese Nachbarwelt einst Leben gebar, könnte sich dieses später in die Wolken gerettet haben. Dort gibt es noch Spuren von Wasserdampf. 50 km über Grund herrschen erträglichere Temperaturen, und vor der solaren UV-Strahlung wäre man dort ebenfalls noch halbwegs geschützt. Von Nachteil ist die Schwefelsäure: "Venusianer" lebten gleichsam wie in einer Autobatterie.
Anders als die Venus ist unser äußerer Nachbarplanet Mars zu einer eiskalten Staubwüste verkommen. UV-Licht und kosmische Strahlung sterilisieren seine Oberfläche. Vor etwa vier Milliarden Jahren hätte man dort wahrscheinlich Flüsse, Seen und Wasserfälle gesehen. Doch dann verlor Mars den Großteil seiner Atmosphäre: Vielleicht blies der Sonnenwind die Gashülle davon. Der Planet konnte jedenfalls kein Magnetfeld generieren, das ihn vor diesem Raub geschützt hätte. Heute zeigt das Barometer am Marsboden kaum ein Prozent des irdischen Luftdrucks an. Flüssiges Wasser hält sich daher nicht. Es friert oder verdampft.
Nur verstecktes Grundwasser mag noch existieren. Vielleicht rüsteten sich die "Marsianer" rechtzeitig und tauchten in den Untergrund ab. Sie hausten dann wohl ähnlich den Mikroben, die man fern jedes Sonnenlichts zwei- bis dreitausend Meter unter dem Witwatersrand-Becken entdeckte.
Dort, in Südafrika, produzieren irdische Winzlinge Methan - und tatsächlich fanden Raumsonden auch auf Mars isolierte Stellen mit Konzentrationen dieses farb- und geruchlosen Gases. Das könnte allerdings auch durch geologische Prozesse entstehen, ganz ohne Lebewesen. Wie auch immer: Das Methan wird mindestens hundertmal rascher zerstört als erwartet. Schuld ist möglicherweise Wasserstoffperoxid, bei uns als starkes Bleich- und Desinfektionsmittel bekannt. Wird aber schon der einfachste Kohlenwasserstoff auf Mars so brüsk attackiert, hätten komplexe organische Moleküle denkbar schlechte Karten.
Seen gibt es fern der Erde nur noch auf einer Welt im Sonnensystem: dem Saturnmond Titan. Allerdings werden sie nicht von Wasser, sondern von Ethan und Methan gefüllt. Die beiden Verbindungen sind selbst bei minus 180 Grad Celsius noch flüssig. Diese frostige Temperatur bremst aber auch alle Erwartungen, Leben auf Titan anzutreffen, obwohl seine kohlenstoffreiche Chemie durchaus fasziniert; ebenso die dichte "Lufthülle" aus Stickstoff.
Ewige Dunkelheit
Das Antlitz der atmosphärelosen Monde im äußeren Sonnensystem ist fast immer aus Wassereis geformt. Es bildet richtige Landschaften. Allerdings werden etliche dieser Trabanten von der Anziehungskraft ihres Mutterplaneten "durchgeknetet". Ihre Körper erwärmen sich dabei. Ganz besonders gilt das für den Jupitermond Europa. Stellenweise ist Europas Eispanzer in kantige Blöcke zerbrochen, die sich anschließend drehten und verschoben - als hätte der Wind in ein Puzzle-Bild geblasen. Vermutlich schwimmt Europas Eis auf einem geheimnisvollen, unterirdischen Ozean. Dank der inneren Wärme des Mondes würden sich dort vergleichbar beschauliche Temperaturen einstellen. Etwaige Meeresbewohner blieben zudem vor der harten Weltraumstrahlung geschützt. Diese "Europäer" lebten allerdings im steten Dunkel.
Vielleicht versteckt noch ein halbes oder ein ganzes Dutzend weiterer Himmelskörper solche Meere unterm Eis. Etwa Saturns Mond Enceladus: Er überrascht mit himmelsstürmenden Geysiren. Auf Erden kennt man Sparmeister, die sehr lange im Eis ausharren: Kälteliebende Mikroben brauchen wenig Nährstoffe, produzieren ihr eigenes Frostschutzmittel und überleben bei minus 20 Grad Celsius. Einige halten noch viel schlimmere Temperaturen aus. Solche Lebewesen könnten auch das Eis über den verborgenen Ozeanen anderer Welten bevölkern.
Auf den Meeresböden selbst mag man sich hingegen heiße hydrothermale Quellen vorstellen. In der irdischen Tiefsee gibt es sie: Hier strömt das zuvor in die Kruste eingedrungene, extrem erwärmte und nun mit Sulfiden und anderen Salzen angereicherte Wasser wieder aus. Die mitgerissenen Minerale formen meterhohe Schlote, "Schwarze Raucher" genannt. Hitze und Druck ähneln dort denen auf der Venus. In einigem Abstand sinkt wenigstens die Temperatur. Da tummeln sich dann hitzeliebende Bakterien, die bis zu 120 Grad Celsius ertragen. Sie üben sich in Chemosynthese: Nicht Licht ist ihre Energiequelle, sondern toxische Substanzen wie Schwefelwasserstoff. Sollte das irdische Leben gar an solch extremen, abgeschirmten Orten entstanden sein?
Überraschend tolerant
Unsere Erde ist ein Paradies. Dennoch besetzen irdische Mikroorganismen auch die extremsten Lebensräume, beweisen einen schier verblüffenden Anpassungswillen. Sie gedeihen unter dem Gefrierpunkt und über dem Verdampfungspunkt von Wasser, in äußerst saurem und in stark basischem Milieu, bei vernichtend hohem Druck und im Hochvakuum. Doch je komplexer Lebewesen geraten, desto empfindlicher werden sie. Ihre Duldsamkeit geht rasch verloren. Wer Außerirdische auf den anderen, unwirtlichen Welten unseres Sonnensystems finden will, wird vor allem ein Gerät mitnehmen müssen: das Mikroskop.
Raumsonden zogen bereits an allen acht Planeten vorbei. Sie porträtierten deren Trabanten aus der Vogelperspektive, landeten auf dem Erdmond, dem Mars, der Venus und auf dem Titan. Seit 1995 hat man außerdem mehr als 400 Planeten im Orbit um fremde Sterne nachgewiesen. Da uns Lichtjahre von ihnen trennen, entziehen sie sich robotischen Untersuchungen. Im günstigsten Fall lassen sich Spektren gewinnen. Die geben dann Einblick in die chemische Zusammensetzung der Planetenatmosphären, zeigen vielleicht auch einmal Signaturen, die auf extraterrestrisches Leben hindeuten. Schon jetzt überlegt man, wie diese spektralen "Fingerabdrücke" aussehen könnten.
Erdlinge setzen seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren auf Kohlenstoff. Sie benötigen Wasser als Lösungsmittel. Könnte die Natur auch biologische Strukturen aus Stickstoff oder Silizium erschaffen, ließen sich alternative Lösungsmittel wie Ammoniak, Ethan, Formamid oder Methan nützen. Diese Verbindungen kennen andere Schmelz- und Verdampfungspunkte als Wasser. Sie würden noch extremere Lebensräume erschließen. Die Besitzer solcher Strukturen sähen freilich anders aus als die uns vertrauten Lebensformen. Unsere Biosphäre erschiene ihnen lebensfeindlich. Doch dafür würden sie sich eventuell im ätzenden Gewölk der Venus wohlfühlen oder in Titans Methanseen.
Nicht völlig ausgeschlossen, dass derart exotische Wesen selbst auf Erden existieren, in bislang unentdeckt gebliebenen "Schattenbiosphären". Eine Forschungsplattform um Prof. Dr. Maria Firneis vom Institut für Astronomie der Universität Wien prüft seit kurzem auch solche Perspektiven. Die Gruppe überlegt, welche Makromoleküle neben Kohlenstoffketten noch als Baumaterial für Zellen in Frage kämen und welche Eigenschaften die dazu passenden Lösungsmittel hätten. Letztlich will man "Biomarker" definieren, also Merkmale, nach denen die Lebensfahnder besonders Ausschau halten sollten: bei Welten in unserem eigenen, aber auch bei Planeten in fremden Sonnensystemen.
Christian Pinter schreibt seit 1991 für die "Wiener Zeitung". Sein astronomiegeschichtliches Lesebuch "Helden des Himmels" ist bei Kremayr & Scheriau erschienen.