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Aliyev-Geständnis aufgetaucht?

Von Christian Rösner

Politik
Ganzger und Lansky sind siegessicher.
© LGP/Roman Zach-Kiesling

Opferanwälte präsentieren "neue Fakten" im Fall des am 6. Juni festgenommenen Ex-Botschafters.


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Wien. Es gibt ein Geständnis vom kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev, der in der Nacht auf 6. Juni auf dem Flughafen Wien-Schwechat verhaftet wurde. Handgeschrieben und von ihm selbst unterzeichnet. Zumindest behauptet das Rechtsanwaltskanzlei, die zwei Witwen jener Bankmanager vertritt, die angeblich auf Anweisung Aliyevs in Kasachstan im Jahr 2007 ermordet wurden. In dem Geständnis soll er das auch zugeben, heißt es.

"Ich gebe zu, unsere Laune ist deutlich gestiegen", erklärte Gabriel Lansky am Dienstagnachmittag. Als Grund dafür nannte der Jurist "unfassbar dichtes Beweismaterial", sodass eine Anklageerhebung vonseiten der Staatsanwaltschaft kurz bevorstehen müsse. "Alles andere wäre eine Überraschung", ist Lansky überzeugt.

Für ihn hat sich nun der Kreis geschlossen: Auf der einen Seite sei eine Kopie dieses Geständnisses aufgetaucht - gefunden beim ehemaligen kasachischen Geheimdienstchef Alnur Mussayev, der einen Tag vor Aliyev festgenommen wurde. Auf der anderen Seite habe inzwischen eine österreichische Gutachterin die Echtheit von Skype-Gesprächen bestätigt, in denen bereits 2010 von dem Vorhandensein eines solchen Geständnisses die Rede war.

Und nicht nur das: In diesen Aufnahmen spricht Mussayev mit einem derzeit in Dubai in Auslieferungshaft sitzenden Kasachen (ein ehemaliger strategischer Berater Mussayevs, Anm.) ganz offen über die Leichen der ermordeten Bankmanager - und zwar Monate, bevor diese gefunden wurden: "Ich gebe den genauen Ort an. 100 Prozent garantiert, dass sie an diesem Ort sind. Aber in welcher Form die Überreste sind, Asche oder sonst etwas, dafür garantiere ich nicht", so ein Auszug aus den Aufnahmen, die die Anwaltskanzlei schriftlich den Medien zur Verfügung gestellt hat.

Was das Geständnis anbelangt, müsse noch von Staatsanwaltschaft geklärt werden, ob es tatsächlich von Aliyev geschrieben wurde, räumte Anwalt Gerald Ganzger ein. Mussayev selbst habe aber bestätigt, dass es sich um die Handschrift Aliyevs handle.

"Es ist eine Fälschung"

Warum sich aber Aliyev mit einem Geständnis selber belasten sollte, wollten die beiden Juristen nicht beantworten. "Man wird es verstehen, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Mehr können wir derzeit noch nicht sagen", meinte Lansky. Das Geständnis dürfte aber Gegenstand von Preisverhandlungen zwischen Mussayev und dem kasachischen Geheimdienst gewesen sein. "Es war eine Waffe in seiner Hand", mutmaßte Lansky.

Noch bedeckter hielt sich die Staatsanwaltschaft Wien in dieser Frage. Auf jeden Fall wollte sie mit dem Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren die Existenz des Geständnisses nicht bestätigen. Auch zu den Skype-Gesprächen gab es am Montag keine Stellungnahme. Und der Anwalt von Aliyev, Manfred Ainedter, betonte am Montag in einer Reaktion: "Das angebliche Geständnis ist eine Fälschung." Ein entsprechendes Gutachten, das dies auch beweisen werde, habe die Staatsanwaltschaft bereits in Auftrag gegeben, sagte Ainedter.

Aber Lansky und Ganzger geben sich trotzdem siegessicher. Denn auch die Opferrolle, in der sich Aliyev gerne gesehen habe - er, verfolgt von der kasachischen Regierung - sei laut dem Bundeskriminalamt Wien (BKA) nicht haltbar. Ganzger zitierte hier aus einem Bericht des BKA: "Fraglich ist, ob aufgrund der bereits ab Mai 2007 international kommunizierten Informationslage, der Argumentation der Beschuldigten gefolgt werden kann, dass die Vorwürfe reine Erfindung der kasachischen Behörden sind."

Auf jeden Fall ist die U-Haft gegen Aliyev laut Wiener Landesgericht bis 20. Juni wirksam. Das bedeutet, dass die erste Haftprüfung an diesem Termin stattfindet und sich herausstellen wird, wer am Ende recht bekommt.

Jahrelange Geschichte

Der Fall Aliyev beschäftigt die österreichische Justiz und Politik schon seit Jahren. 2002 kam der damalige Schwiegersohn des autoritären Präsidenten Nursultan Nasarbajew als Botschafter nach Österreich. Anfang 2007 fiel Aliyev bei Nasarbajew in Ungnade. Die kasachische Justiz verlangt schließlich seine Auslieferung wegen der Entführung zweier später tot aufgefundener Bankmanager, die aber von Österreich zwei Mal aufgrund der Menschenrechtslage in der Ex-Sowjetrepublik abgelehnt wurde. Im Juli 2011 leiteten österreichische Behörden Ermittlungen gegen Aliyev ein. Gleichzeitig wurde publik, dass auch Deutschland ermittelt, und zwar wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Seitdem lebte der Ex-Botschafter unter dem Namen seiner Frau, Shoraz, in Malta.

Am 6. Juni 2014 hat er sich schließlich angeblich freiwillig den österreichischen Behörden gestellt. Laut Lansky und Ganzger hätte er aufgrund des europäischen Haftbefehls und der drückenden Beweislast gar keine andere Chance gehabt.