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All-In-Verträge sind kein Freibrief für Überstunden

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Arbeitsleistungen im Gesamtpaket - oft ist damit nicht alles abgedeckt. Foto: photocase.com

In All-In-Verträgen fehlen oft präzise Angaben zu Gehalt und Überstunden. | Auch Personal, das nicht selbständig handelt, wird oft mit Pauschale abgespeist. | Wien. "Es ist erschreckend, was Mitarbeiter bei der Vertragsvorlegung alles unterschreiben. Die Klauseln werden nicht hinterfragt", alarmiert Ingrid Stipanovsky, Betriebsratsvorsitzende des Pharmaunternehmens Novartis. Besonders viel gehe bei den sogenannten All-In-Verträgen schief, die immer mehr Arbeitnehmer ohne eine Alternative vorgelegt bekommen.


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Die Pauschalverträge decken mit einem bestimmten Gehalt alle Arbeitszeiten ab. Enthalten sind Mehrarbeits- und Überstunden, oft auch Reisezeiten oder Bereitschaftszeiten, manchmal auch Kilometergeld oder Diäten.

Die Idee dahinter: "Die Arbeitsvertragsgestaltung bringt dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber eine gewisse Flexibilität bei der Erledigung von Aufträgen und scheinbar eine Erleichterung bei der Arbeitszeitaufzeichnung", erklärt Doris Lutz, Arbeitsrechtsexpertin bei der Arbeiterkammer Wien (AK). Betroffene Arbeitnehmer verlieren jedoch leicht den Überblick, ob ihr All-In-Gehalt auch tatsächlich alle Arbeitsleistungen abdeckt.

In der Praxis zeigt sich, dass in Österreich rund 1,3 Milliarden Überstunden nicht bezahlt werden. "Ein Drittel aller Pauschalverträge beinhalten für den Arbeitnehmer nachteilige Klauseln", betont Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten, bei einer Diskussion zum Thema "All-In-Verträge - Segen oder Fluch?". Ihre Kritik: Die Verträge seien zu wenig transparent und bürdeten den Mitarbeitern eine hohe Arbeitsbelastung auf, die häufig zu Burnout führen könne.

Zeit flexibel einteilbar?

Nach Ansicht der Gewerkschaft für Privatangestellte sollten All-Inclusive-Verträge nur für jene Mitarbeiter eingesetzt werden, die einen flexiblen Gestaltungsraum benötigen und Eigenverantwortung tragen. Dazu zählen Führungskräfte, aber auch Außendienstpersonal oder Projekt-Mitarbeiter. Sehr häufig werden aber auch Arbeitnehmer, die ihre Arbeit weitgehend nicht selbständig gestalten können, mit einem Pauschalvertrag abgespeist, weiß die Novartis-Betriebsrätin Stipanovsky.

Aus rechtlicher Sicht sind die All-In-Verträge zwar erlaubt, dürften aber nicht dazu führen, dass Gehälter in jedem Fall auf den kollektivvertraglichen Mindeststandard herunter dimensioniert werden, erläutert Lutz. Als besonders kritisch bewertet die Rechtsexpertin All-In-Verträge in Kombination mit Leistungslohnkomponenten. "Problematisch wird es dort, wo ein großer Anteil leistungsabhängig ist und das Grundgehalt sehr niedrig", so die AK-Juristin.

Ein Versicherungsmakler etwa, der ein Produkt verkaufen muss, das von den Kunden nicht angenommen wird, könne so einen Erfolg trotz Anstrengungen nicht erbringen.

Schulung & Smalltalk

Je mehr ein All-In-Vertrag regelt, desto unübersichtlicher wird das Arbeitsverhältnis. Transparenz lautet daher das oberste Gebot. Im Vertrag sollten laut Lutz folgende Komponenten festgelegt sein: Die Höhe des Grundgehalts sowie die Überstundenzahl, für die das Überstundenpauschale gelten soll. Im All-In-Vertrag nicht fehlen darf weiters eine Vereinbarung, wie das All-In-Gehalt jährlich zu erhöhen ist.

Weiters rät die AK-Expertin Mitarbeitern, Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen und mit dem Chef zu klären, auf wessen Kosten vom Arbeitnehmer nicht beeinflussbare Arbeitszeitüberschreitungen oder Zeiten für Reisen, Rufbereitschaft, berufliche Vernetzung oder Weiterbildung gehen.