Mobile Koranverteilungen mittels Lastenfahrrädern sorgen einmal mehr für Kontroversen.
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Wien. "Allah-u-Akbar! Allah-u-Akbar", schreit ein junger Mann. Sie sind wieder da, die bärtigen Männer mit dem grimmigen Gesicht, nur verteilen sie das heilige Buch des Islam nun nicht wie früher mittels fixem Stand, etwa auf der Mariahilfer Straße oder Meidlinger Hauptstraße, sondern auf einem Lastenfahrrad.
Lange war es ruhig geworden rund um die umstrittenen Koranverteiler. Zwischen 2014 und 2016 hatten sie,l wie berichtet, die Stadt mit ihren "Lies mich"-Ständen gespalten. Diesmal ist das Gefährt an der Grenze zwischen 1. und 6. Bezirk unterwegs. Gleich geblieben ist die Methodik: Zwei bis vier Männer sind mit hunderten Koran-Exemplaren auf Deutsch und Englisch im Schlepptau unterwegs und machen auf sich aufmerksam. Nähert sich ein Interessent, bieten sie ihm einen Koran kostenlos an und es folgt eine Konversation, die fast immer darauf hinausläuft, den "wahren und einzig richtigen Islam" zu preisen. Interessenten sind aber - zumindest an diesem windigen Frühlingstag - eher Mangelware. Die meisten ignorieren die Männer, die ständig etwas auf Arabisch in sich hineinmurmeln. Die Frage, was sie mit der Aktion beabsichtigen, wird mit einem präpotenten Blick und einem Schweigen quittiert.
Salafistische Szene
Der heimische Verfassungsschutz beobachtet die Verteilaktion seit Jahren aufmerksam und kennt nach eigenen Angaben viele der handelnden Personen. Experten rechnen die "Lies!-Aktion" der salafistischen Szene zu. Der Salafismus in seiner dschihadistischen Ausprägung gilt als Nährboden für islamistischen Extremismus. An und für sich ist gegen eine Verteilung eines Gottesbuches nichts einzuwenden, doch in Zeiten, in denen die extremistische Terrormiliz "Islamischer Staat" unsere Sicherheit ständig mit Anschlägen in Europa und im Nahen Osten barbarisch bedroht, stellt sich die berechtigte Frage, welchen Zweck solcherlei Verteilungsaktionen haben. Ein generelles Verbot wurde diskutiert, bisher aber noch nicht umgesetzt. Die einen waren strikt dagegen, dass solche Aktionen genehmigt werden, die anderen sahen keine Möglichkeit eines Verbotes.
Verfassungsexperte Heinz Mayer erteilte einem solchen Verbot schon vor zwei Jahren eine Abfuhr - schließlich sei der Islam eine seit dem Jahr 1912 gesetzlich verankerte Religion in Österreich und keine Sekte. Dennoch sei die Angelegenheit wegen ihrer politischen Brisanz sicherlich in einer Grauzone anzusiedeln. "Die einzige Rechtsgrundlage, die mir einfällt, damit man die Koranverteilungen verbieten kann, wäre die Straßenverkehrsordnung wegen einer Verwendung zu verkehrsfremden Zwecken, aber das ist hier nicht der Fall", meinte Mayer. Die Veranstaltung falle unter das Versammlungsgesetz und sei anzeigepflichtig. Einschreiten müsse der Verfassungsschutz nur dann, wenn gegen andere Religionen gehetzt werde.
Warten auf Gesetzentwurf
Zur nun mobil gewordenen Verteilung heißt es seitens des Pressesprechers des Bezirkschefs der Inneren Stadt: "Wir werden uns das ansehen." Für Thomas Blimlinger, Bezirksvorsteher aus Neubau, ist die Angelegenheit durch die Verteilung auf den Fahrrädern nun schwerer greifbar geworden. Und auch Mariahilf als ebenso betroffener Bezirk will die Lage gemeinsam mit der Polizei und dem Verfassungsschutz im Auge behalten. Man müsse sich jeden Fall individuell ansehen und in der Situation reagieren. Anlass zur Beunruhigung gebe es aber nicht, da Polizei und Verfassungsschutz die Verteiler genau beobachten würden, ergänzt der Polizeisprecher.
Im Innenministerium verweist man in der Causa auf das Integrationsministerium. Aus Letzterem hieß es, es gebe bereits einen Integrationsgesetzentwurf. Konkret betreffend der Koranverteilung soll im Paragraph 83 der Straßenverkehrsordnung ein dritter Absatz hinzugefügt werden. Mit diesen Ergänzungen können Verteilaktionen, die zur Verbreitung von radikalem Gedankengut führen könnten, künftig leichter unterbunden werden. Erwartet wird die Novelle noch heuer.
Zurück zum Getreidemarkt: Als die mobilen Verteiler sehen, dass nur wenige Interessenten bereit sind, ihnen ein Exemplar des Koran abzunehmen, radeln sie weiter. Gehetzt wurde heute nicht. Das religiöse Fundament des Islam bleibt noch im Gepäckfach des Fahrrades, die "Mission" wird aber weitergehen. Recherchen der "Wiener Zeitung" ergaben, dass die meisten Männer, die an der Aktion beteiligt sind, für die "Lies Stiftung" arbeiten. Die Stiftung verbreitet seit 2011 in ganz Europa Korane - und eine zum Teil fundamentalistische Ansicht des Islam. Auch Salafisten befinden sich unter den Verteilern.
Verhetzungsparagraf gilt nicht
Schon bald können die Verteiler wieder durch die Stadt radeln und verteilen, denn vorgehen kann man gegen sie vorerst nicht. Selbst gegen den neuen Verhetzungsparagrafen verstößt die Aktion nicht. Verhetzung liegt nur dann vor, wenn zur Gewalt gegen Gruppen aufgerufen wird.
Was die mögliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 278b Strafgesetzbuch betrifft, kommt es laut Ministerium auf den Einzelfall an. "In dem Moment, wo sich konkrete Verdachtsmomente ergeben, schreiten wir ein", lautete bereits 2014 die Information aus dem Innenministerium - und das gilt heute noch. Ein Verfahren richte sich dann gegen einzelne Personen, nicht gegen die Verteil-Aktion an sich. Und auch daran hat sich bis heute nichts geändert.