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"Allah wollte, dass ich überlebe"

Von Thomas Seifert aus dem Libanon

Politik
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Abdo ist mit seiner Familie aus Syrien in den Libanon geflohen und wohnt nun in einer Garage. Vor der Tür seiner Behausung ist eine Zeltstadt für Flüchtlinge entstanden. T. Seifert

Kann eine geplante internationale Syrien-Konferenz das Land vor dem völligen Abgleiten ins Chaos bewahren?


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Beirut. Abdo hatte in Syrien ein gutes Leben, er hatte seinen eigenen kleinen Handy-Shop. Doch als der Krieg in seinen Heimatstadt Jobar kam, änderte sich alles.

Er wollte zum Marktplatz, um Brot einzukaufen, als ihn eine Explosion umfegte. Granatsplitter im Gesicht, am rechten und linken Arm und am linken Bein. Sein linker Arm steckt noch in der Bruchfixierung, die er im Krankenhaus bekommen hat, sein linkes Bein ist eingegipst und seine Hand geschient. Aber statt sein Schicksal zu beklagen, spricht Abdo von seiner Dankbarkeit: der Dankbarkeit, dass er noch lebt, und der Dankbarkeit, dass er im Libanon professionelle medizinische Hilfe bekommen hat. Im Februar wurde er operiert, und nun geht es ihm peu à peu besser.

Abdo lebt nun seit März in einer Garage in einer kleinen Stadt in der Bakaa-Ebene, wo viele Flüchtlinge aus Syrien Unterschlupf gefunden haben. Die nackten Ziegelwände sind alles andere als wohnlich, es gibt in dem Raum keine Privatsphäre, keine Küche, kein Bad, keine Toilette.

"Der Krieg muss aufhören"

Dabei hat Abdo noch Glück gehabt. Gleich vor der Garagentür leben dutzende Menschen in Zelten, die im Winter eiskalt waren und nun, da der Sommer naht, heiß wie Backöfen sind. Ein paar Autominuten von der Garage, in der Abdo mit seiner insgesamt 14-köpfigen Familie lebt, sind in den vergangenen Monaten ganze Zeltstädte entstanden.

Zwei Männer, fünf Frauen und acht Kinder im Alter von sieben bis neun Monaten leben in der Garage. Da Abdo aufgrund seiner Verletzungen nicht arbeiten kann, hat die Familie beträchtliche Geldsorgen: Wie sollen sie die Arztrechnungen für Abdo bezahlen? Woher soll das Geld für die Medikamente kommen? Die Garage kostet Miete, und dann muss noch Essen auf den Tisch.

Doch wenn Abdo in die Gesichter seiner Kinder blickt, lächelt er sanft: "Allah wollte, dass ich überlebe. Ich glaube, ich habe für meine Kinder überlebt."

Und was denkt Abdo über den Krieg? "Wir wollen, dass der schreckliche Krieg, die Massaker, die in Syrien passieren, endlich aufhören. Es interessiert uns nicht, wer an all dem schuld ist. Wir brauchen Frieden. Der Krieg muss aufhören, damit unsere Kinder wieder die Schule besuchen können, das ist im Moment unser einziges Anliegen", erklärt Abdo. Der Aufstand, der zum Bürgerkrieg metastasiert ist, geht nun bereits seit 15. März 2011 und hat weit mehr als 100.000 Menschenleben gefordert. Mehr als 1,5 Millionen Syrer sind in die Türkei, nach Jordanien oder in den Libanon geflüchtet, zwischen 4,5 bis 6 Millionen Menschen sind in Syrien innerhalb des Landes aus umkämpften Gebieten in sicherere Regionen geflohen. Viele Flüchtlinge aus Syrien werden auch das Gefühl nicht los, dass an dem Schicksal der Syrer niemand wirklich interessiert ist und die Menschen in Syrien zu Opfern in einem Stellvertreterkrieg geworden sind.

Kommt Syrien-Konferenz?

Die internationale Staatengemeinschaft ist ratlos, sämtliche Vermittlungsmissionen sind bisher gescheitert. Nun unternimmt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon einen neuen Anlauf. Er drängt auf eine schnellstmögliche Einberufung einer geplanten Syrien-Konferenz. Ban war am Freitag in Russland, zuvor war die Konferenz Thema bei einem Treffen zwischen US-Außenminister John Kerry und dessen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau.

Ein Termin wurde zwar bei einem Treffen zwischen Ban und Lawrow in Sotschi am Schwarzen Meer noch nicht vereinbart, Lawrow meinte aber: "Je eher desto besser." Unklar ist noch, ob auf der zwischen den USA und Russland vereinbarten Syrien-Konferenz auch der Iran teilnehmen soll - vor allem die USA haben Vorbehalte gegen eine Entsendung iranischer Diplomaten zu dieser Konferenz, während Russland eine Teilnahme des Iran unterstützt.

Am Donnerstag war der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan zu Besuch bei US-Präsident Barack Obama. Erdogan wollte in Washington auf die Errichtung einer Flugverbotszone sowie verstärkte Hilfen für die syrischen Rebellen pochen. Doch die USA beharren auf einer politischen Lösung und haben keinerlei Interesse, sich in einen Krieg in Syrien hineinziehen zu lassen.

Golan macht Sorgen

Dementsprechend zurückhaltend äußerte sich Obama nach der Unterredung mit Erdogan, beide Politiker meinten aber unisono, dass der syrische Präsident Bashar al-Assad zurücktreten und so den Weg für eine politische Lösung in Damaskus freimachen solle. Obama meinte aber, er würde sich alle Optionen vorbehalten.

In Wien verfolgt man unterdessen die Entwicklungen am Golan mit zunehmender Sorge: Denn am Freitag wurde bekannt, dass am Mittwoch erneut UNO-Soldaten vorübergehend von Bewaffneten entführt worden waren - es war die bereits dritte Entführung von UNO-Soldaten am Golan innerhalb von zwei Monaten. Die drei Soldaten waren Mitglieder der Beobachtungsmission UNTSO, welche die Waffenstillstandslinien und -vereinbarungen im gesamten Nahen Osten kontrollieren soll. Derzeit gehören ihr 153 unbewaffnete Militärbeobachter aus 25 Staaten, darunter fünf Österreicher, an.

Eine Million syrische Flüchtlinge haben im Libanon Unterschlupf gefunden, das Land hat aber nur 4,5 Millionen Einwohner und zunehmend Schwierigkeiten, den Zustrom zu bewältigen. Die Organisation Worldvision ist im Libanon aktiv und bittet um Spenden auf das Konto 90.890.000 bei der P.S.K. (BLZ 60.000), Kennwort: "Syrien".