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Allahs kleine Helfer

Von Muhamed Beganovic

Politik
Pensionisten und muslimische Jugendliche verbringen während des Ramadan Zeit miteinander.
© MJÖ

Muslime spielen mit Waisen, kochen für Obdachlose und besuchen Senioren.


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Wien. Die Sonne brennt auf Wiens Asphalt. Jeder, der kann, flüchtet sich ins kalte Nass. Nicht so eine Gruppe muslimischer Jugendlicher. Sie wartet geduldig vor einem Seniorenheim auf der Erdbergstraße im 11. Bezirk.

Vier Burschen und zwei Mädchen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren haben sich für die ""Fasten Teilen Helfen"-Aktion der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) angemeldet. Ziel der Aktion ist es bedürftigen Menschen in Österreich während des Ramadans zu helfen. Allein in Wien haben bisher fast 1000 Jugendliche an den verschiedenen karitativen Begegnungen teilgenommen. Rund 300 Aktionen gab es bisher. Die Jugendlichen spielen mit Waisenkindern, kochen für Obdachlose, besuchen Flüchtlingsheime oder verbringen ihren Tag eben in einem Seniorenheim, wie den "Hausgemeinschaften Erdbergstraße".

Ein bisschen nervös sind die Jugendlichen hier. "Was sollen wir sie fragen? Worüber sollen wir mit ihnen sprechen", fragt ein 13-jähriger Bursche. Er wusste zwar vom Anfang an, worauf er sich einlässt, nicht aber, wie er eine vergessliche Frau handhaben soll. Demenz hat er bei seinen Großeltern nicht erlebt. Eine Seelsorgerin des Heims erklärt ihm, dass die Senioren ohnehin Fragen stellen werden, da die alten Männer und Frauen neugierig sind auf die jungen Leute. Er soll sich nur nicht wundern, wenn die gleiche Frage mehrfach gestellt wird. Sie legt ihm nahe, dass es wichtig ist, alle Bewohner mit Respekt zu behandeln, denn auch "wenn sie es nicht so mit dem Gedächtnis haben, sind sie nach wie vor Menschen und als solche haben sie Emotionen, auf die geachtet werden muss."

Mehr als 800 Aktionen in ganz Österreich

Im Büro der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) in Wien Fünfhaus herrscht Hochbetrieb. Jeden Tag sitzen dort fünf Jugendliche, die ehrenamtlich arbeiten. Sie koordinieren die große Zahl der Anmeldungen und Anfragen für das Projekt "Fasten.Teilen.Helfen". "Alleine in Wien gibt es 934 Anmeldungen. Österreichweit sind wir deutlich über der 1000er Grenze", erzählt Saime Öztürk, Pressesprecherin der MJÖ. Nicht alle Teilnehmer sind aktive MJÖ Mitglieder. Mittlerweile rufen auch Institutionen an und fragen, ob sie mitmachen dürfen. Ziel der 800 Aktionen österreichweit ist es junge Muslime zu motivieren sich karitativ zu betätigen. "Das Projekt ist dabei eine Art Türöffner für viele, denn es gibt sehr viele Jugendliche, die sich sozial engagieren wollen, aber nicht wissen würden wie", erklärt Öztürk, "durch das Projekt schaffen wir diese Plattform und bieten somit den jungen Menschen diese Möglichkeit".

Die Jugendlichen und Senioren amüsieren sich. Die zwei Mädchen singen im fünften Stock mit einer Gruppe betagter Damen. Abwechselnd trällern die Pensionistinnen Lieder aus ihrer Jugendzeit, Lieder, die sich in das Gedächtnis so gut eingeprägt haben, dass man sie nicht so leicht vergessen könnte. Die Mädchen hingegen singen zeitgenössischere Lieder. Beide Gruppen haben sichtlich Spaß an der Sache. Währenddessen sitzen die Burschen ein Stockwerk tiefer. Sie singen nicht, versuchen die Senioren aber zu unterhalten. Zum ersten Mal sprechen sie mit demenzkranken Menschen. Von der Anfangsnervosität der Jugendlichen ist keine Spur mehr übrig. Sie reden mit den Pensionisten als würden sie sich seit Jahren kennen. Zeitweise kommt es zu Umarmungen. Fotos werden mit den iPhones geschossen.

Der Tag geht zu Ende und die Jugendlichen müssen nach Hause, wo das Fastenbrechen auf sie wartet. Vorher will die Seelsorgerin wissen, welche Eindrücke die Jugendlichen sammeln konnten. Sie sind froh, diese wichtige Erfahrung gemacht zu haben. Sie wollen so früh wie möglich nochmals zurückkommen.

"In unseren Aktivitäten wollen wir auf die gesellschaftlichen Herausforderungen der muslimischen Jugendlichen eingehen, um positive Impulse für eine Verbesserung des Lebensumfeldes zu geben", erklärt Alexander Osman, MJÖ-Gründungsmitglied, die Intention der 1996 gegründeten Jugendorganisation. "Kreative Jugendarbeit und zivilgesellschaftliches Engagement ist immer eine Frage des Bewusstseins und des Einsatzes und genau da setzen wir an. Wir geben unser Bestes, damit junge Menschen Perspektiven erkennen, sich bemühen und für das Wohl aller Menschen in diesem Land einsetzen", sagt Osman.

Am 7. August geht der Ramadan zu Ende und somit auch die Aktionen von "Fasten Teilen Helfen. Das soziale Engagement wollen sich die Helfer aber bewahren. Die Pensionisten des Heimes freuen sich bestimmt auf den nächsten Besuch.