Großer internationaler Andrang zu Präsidentschaftswahl. Medienvertreter sehen Richtungswahl für ganz Europa.
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Wien. So viel Interesse an einer österreichischen Bundespräsidentenwahl gab es wohl noch nie. Rund 250 Medienvertreter aus dem Ausland waren in der Hofburg am Wahlabend akkreditiert. Von Großbritannien, über Russland bis Japan waren alle Augen auf das vorläufige Wahlergebnis in Wien gerichtet. Die zentrale Frage: Für welche Richtung werden sich Österreichs Wähler entscheiden?
"Diese Wahl ist nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa wichtig", sagt Patrick Van Gopel aus Belgien. "Rechte Bewegungen haben in der Vergangenheit deutlich zugelegt und Norbert Hofer könnte der erste rechtspopulistische Präsident Europas werden." Es gehe um eine Richtungsentscheidung, die sich auf Wahlen in Frankreich und den Niederlanden auswirken könnte.
"Jeder kennt jetztIhren Präsidenten"
Aus jeder Ecke des Medienzentrums in der Wiener Hofburg sind unterschiedliche Sprachen zu hören. "Hofer gilt im Ausland als rechtsextrem. Deshalb ist das Interesse auch so groß", so eine Reporterin aus Italien. In ihrer Heimat sei es nicht ungewöhnlich, dass Wahlkämpfe so lange dauern, aber der Ausgang der Wahl betreffe Italien maßgeblich. Dort hoffe man auf einen pro-europäischen Präsidenten, mit dem man auch im Zuge der Flüchtlingskrise zusammenarbeiten könne. Italien ist als EU-Außengrenze besonders stark vom Zustrom an Flüchtlingen über das Mittelmeer betroffen. Deshalb fürchtet man dort eine Abschottung in Österreich und noch strengere Grenzkontrollen.
Das Medieninteresse gilt fast ausschließlich dem freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer. "Wir wissen nicht so recht, wie wir ihn einordnen sollen. Er gilt ja als LePen-nah", sagt eine französische Journalistin. Frankreich wählt kommendes Jahr einen neuen Präsidenten. Und auch dort werden der nationalistischen Front-Nationale-Kandidatin, Marine LePen, gute Chancen vorherhergesagt.
"Nach dieser Wahl wird jeder Ihren Bundespräsidenten kennen", sagt Aleksej Adaschkin, Zeitungsjournalist aus Weißrussland. Dort blickt man aus einer etwas anderen Perspektive auf Österreich. Zwar wäre Hofer der erste nationalistische Präsident, allerdings hofft man dann auch auf bessere Beziehungen zu Russland und damit Weißrussland. "Ich denke, Hofers Wahl könnte die diplomatischen Beziehungen mit Österreich stärken", sagt Adaschkin. Und einen kleinen Seitenhieb gibt es auch. Dass in einer entwickelten Demokratie wie Österreich Wahlen aufgehoben und wiederholt werden, habe in Osteuropa für Schmunzeln gesorgt.
Als dann um kurz nach 17 Uhr die blauen und grünen Balken der ersten Hochrechnung in die Höhe klettern, herrscht Stille. Dass Alexander Van der Bellen vorläufig mit 53,6 Prozent der Stimmen vorne liegt, sorgt mehr bei den heimischen als bei den ausländischen Medienvertretern für Aufregung. "Österreich bleibt auf EU-Kurs" und "Revolution abgesagt" ist rundherum zu hören. Es scheint fast, als wäre das Interesse an Österreichs Innenpolitik schlagartig verflogen. Ein paar letzte Wortmeldungen, ein paar Live-Einstiege für Nachrichtensendungen aus der ganzen Welt und der Medienrummel klingt bald ab.