Von Klarstellungen und Beschwichtigungen war die Innenpolitik des gestrigen Tages geprägt. Noch am Dienstagabend relativierte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer die Neuwahldrohung der FPÖ: Die Partei würde sich nicht davor fürchten, sollte die Grundaussage sein. Und auch die ÖVP war gestern um Beruhigung bemüht: Sie strebe keineswegs Neuwahlen an. Völlig anders tönt es aus Kärnten: Demnach erwartet Landeshauptmann Jörg Haider Neuwahlen noch im Frühjahr.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Von Koalitionskrise keine Rede: Konnten ÖVP und FPÖ dies noch vor Wochen bei etlichen Gelegenheiten betonen, fällt dies nun zunehmend schwerer.
Eine Aussage des Bundeskanzlers nach dem Ministerrat sorgte für große Aufregung in den Reihen der FPÖ. Nachdem Wolfgang Schüssel die EU-Erweiterung als "Herzstück der Regierung" bezeichnet und so auf dessen Koalitionserhaltungsfunktion hingewiesen hatte, reagierte die FPÖ-Spitze mit einer Presseerklärung. Einhellig forderten Parteivorsitzende und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider sowie Klubobmann Peter Westenthaler eine Klarstellung Schüssels, ob er nun tatsächlich Neuwahlen anstrebe. Die FPÖ fürchte sich davor jedenfalls nicht.
Niemand wolle Neuwahlen, stellte Schüssel daraufhin klar. Allerdings brauche auch niemand davor Angst zu haben. Auf die Frage, welche Chance die Koalition habe, wollte der Bundeskanzler gestern am Rande eines Wifo-Symposiums aber nicht antworten. Im Übrigen habe bereits sein Stellvertreter, Umweltminister Wilhelm Molterer, am Vortag dazu Stellung genommen. Und damit sei die Sache erledigt.
Haider nicht zufriedengestellt
Völlig anders sieht die Lage aus dem Blickwinkel des Kärntner Landeshauptmanns aus. Schüssels Erklärung finde er "wenig befriedigend". Er gehe nämlich davon aus, dass der Bundeskanzler eine Aussage wie nach dem Ministerrat "nicht leichtfertig tätigt". Wenn Schüssel also glaube, die Koalition auflösen zu müssen, dann solle er es auch klar aussprechen. Neuwahlen im Frühjahr liegen für Haider jedenfalls in der Luft.
Dies wollte Riess-Passer wiederum nicht so stehen lassen. Sie betonte, dass ihre Partei keine vorgezogenen Neuwahlen anstrebe. Es sei lediglich darum gegangen, hinzuweisen, "dass ich mich nicht erpressen lasse" und ein Tausch "Temelín gegen Regierungsbeteiligung" nicht in Frage komme.
An einen vorzeitigen Koalitionsbruch glauben weder Volkspartei noch Opposition so recht. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die FPÖ nicht aus der Koalition ausschere. Von Seiten der ÖVP sei die Regierung jedenfalls nicht gefährdet. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein geht davon aus, dass sich "die Wogen glätten werden". Und auch die Landeshauptleute Ober- und Niederösterreichs sowie Salzburgs, Josef Pühringer, Erwin Pröll und Franz Schausberger, orten "keine ernste Krise".
Nicht ernst nehmen will auch Nationalratspräsident Heinz Fischer (SPÖ) die Neuwahl-Aussagen Haiders. Es dürfte sich um "taktische Aspekte" gehandelt haben. Für SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer ist es lediglich ein "Theaterdonner". Worum die Freiheitlichen aber nicht herumkommen würden, sei die Klärung der Frage, wer eigentlich in der FPÖ "die Hosen anhat": Haider oder Riess-Passer.
Auf Unvereinbarkeit der Positionen weist wiederum der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen hin. Denn in der Erweiterungsfrage gehen die Meinungen der Koalitionsparteien auseinander. Die FPÖ stecke nun in einer Sackgasse: Entweder sie werde vertragsbrüchig in der Regierung beim Thema EU-Erweiterung oder die "Freiheitlichen werden wortbrüchig gegenüber den Unterzeichnern des Veto-Volksbegehrens".
Einen genauen Termin für die nächste Nationalratswahl wollte gestern übrigens nur einer nennen: ÖVP-Klubobmann Andreas Khol. Gewählt werde am 27. September 2003.