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"Alle einigermaßen überrascht"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik
Werner Faymann, Alfred Gusenbauer und Doris Bures (v.l.) nach der Präsidiumssitzung.

Bures wird neue Geschäftsführerin, Kalina muss gehen. | Faymann bleibt Minister und Regierungskoordinator. | Wien. " Gemeinsam feiern" stand in großen Lettern auf einem Plakat an der SPÖ-Zentrale anlässlich der Fußball-EM. Zum Feiern dürfte Alfred Gusenbauer allerdings nicht zumute gewesen sein, als er am Montag um zehn Uhr dem Parteipräsidium gegenübertreten musste. Als der Bundeskanzler vier Stunden später die Löwelstraße verließ, wirkte er sichtlich geknickt. | Mehr zum Thema: | Reaktionen | Geniestreich oder Tod auf Raten? | Diskreter Advokat der eigenen Stärken | Bures: Neue, alte Geschäftsführerin


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Gerade hatte er die wohl schwerste Niederlage seiner politischen Karriere erfahren: Gusenbauers Tage als SPÖ-Chef sind gezählt, Werner Faymann ist ab sofort geschäftsführender Vorsitzender und löst ihn beim Parteitag im Oktober nach achteinhalb Jahren an der Spitze ab. Damit gewann die schwarze Trauerfahne an der Parteizentrale (für die verstorbene SPÖ-Politikerin Gertrude Fröhlich-Sandner) eine ganz andere Bedeutung.

Während der gesamten Sitzung hatten Journalisten über deren Ausgang spekuliert, letztendlich traf genau jene Lösung ein, die in den vergangenen Tagen kolportiert worden war. Allerdings dürfte Gusenbauer seine Demontage nicht einfach so hingenommen haben. Während der Sitzung soll es laut zugegangen sein.

Dies war zu Beginn des Treffens noch anders. Die SPÖ-Granden gaben sich zugeknöpft. Sozialminister Erwin Buchinger erhoffte sich eine "offene, kritische und ehrliche Analyse", denn "so kann es nicht weitergehen". An einen Wechsel an der Parteispitze glaubte Buchinger aber nicht: "Aus meiner Sicht ist Alfred Gusenbauer von den Fähigkeiten her unser bester Mann", aber es gebe Verbesserungspotenzial bei der Kommunikation.

Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl ließ sich vor der Sitzung nicht in die Karten schauen. Allerdings forderte er, die Personaldiskussionen schleunigst zu beenden. Tatsächlich benötigte die SPÖ nur ein paar Stunden dafür.

Aus der Sitzung drang nur sehr wenig nach außen. Auch nach dem Treffen wollten die Beteiligten nichts sagen und verwiesen auf die darauf folgende Pressekonferenz. Schließlich ließen die Landeshauptleute der Steiermark und des Burgenlandes, Franz Voves und Hans Niessl, die Katze aus dem Sack: Gusenbauer bleibt Kanzler, Faymann wird Parteichef.

"Alfred Gusenbauer ist unser Spitzenkandidat"

Daran soll sich laut Faymann auch so bald nichts ändern: "Ich bin für Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Es ist eindeutig, Alfred Gusenbauer ist unser nächster Spitzenkandidat." Auch Gusenbauer selbst erklärte: "Ich bleibe der Bundeskanzler und werde der Spitzenkandidat bei der nächsten Wahl sein. Das war eindeutig unsere Positionierung im Präsidium."

Seine Bedenken gegen die Ämtertrennung an der Parteispitze hat Gusenbauer nach eigenen Angaben über Bord geworfen. Die Initiative dazu soll letztlich sogar von ihm ausgegangen sein. Die SPÖ sei in einer "sehr anspruchsvollen Situation", daher habe er vorgeschlagen, "dass in Zukunft die Position des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden getrennt werden", sagte Gusenbauer. "Sie können mir glauben, dass heute in der Früh alle Beteiligten einigermaßen überrascht waren." Die Veränderung an der Parteispitze bezeichnete er als "Verstärkung meines Teams".

Für Faymann ist der Chefsessel in der Partei nicht nur mit mehr Macht, sondern auch mit mehr Arbeit verbunden. Der 48-Jährige wird nämlich sowohl sein Amt als Infrastrukturminister weiter ausführen als auch den Job als Regierungskoordinator.

Als SPÖ-Chef hat Faymann angekündigt, die Positionen der Partei "einzuschärfen". Als Schwerpunkte nannte er die Gesundheitsreform, die Pensionsreform und die Beschäftigungspolitik. Er will außerdem die innerparteiliche Diskussion stärken und für eine bessere Abstimmung zwischen Partei und Gewerkschaft sorgen.

Um einen neuen Job wird sich Bundesgeschäftsführer Josef Kalina umsehen müssen. Er muss diesen Posten ebenso räumen wie Reinhard Winterauer. Allerdings hat Kalina auch noch ein Bundesratsmandat.

Neue SPÖ-Bundesgeschäftsführerin wird Doris Bures. Sie hatte diesen Posten schon bis 2006 inne und sorgte als Parteimanagerin für viele SPÖ-Wahlsiege. Dafür muss sie ihren Platz als Frauen- und Beamtenministerin räumen. Ihre Nachfolge soll demnächst entschieden werden. Eine mögliche Kandidatin wäre Familiensprecherin Andrea Kuntzl. Bures nahm ihre Rückstufung sichtlich erschüttert hin. Sie habe sich aber noch nie vor der Verantwortung gedrückt und werde sich nun "mit großer Freude und Engagement" um die SPÖ kümmern.

Wissen: Funktionstrennung

Die Ämtertrennung von Parteiführung und Regierungs-Spitzenfunktion hat in der SPÖ keine Tradition. Nur einmal - beim Wechsel von Fred Sinowatz zu Franz Vranitzky in den Jahren 1986 bis 1988 - war der Bundeskanzler nicht auch SPÖ-Vorsitzender. Damals war es allerdings umgekehrt: Sinowatz ging als Kanzler und blieb noch zwei Jahre Parteichef.

Zu Beginn der 1990er gab es die Ämtertrennung auch bei der Wiener SPÖ, als Helmut Zilk Bürgermeister und Hans Mayr Landesparteiobmann war.

Europaweit gibt es ähnliche Fälle etwa in Frankreich, wo François Fillon zwar Regierungschef ist - Vorsitzender der Regierungspartei UMP ist aber Jean-Claude Gaudin.