Kosten für mehr Ökostrom-Förderung sind kein Thema. | Wodurch soll Europa Atomenergie ersetzen? | Welche Struktur soll heimische Energiewirtschaft haben? | Wien. So unterschiedlich die Positionen der politischen Parteien bei vielen anderen Themen sind, beim Thema Energie herrscht eine fast unheimliche, alle Fraktionsgrenzen überschreitende Einigkeit. ÖVP, BZÖ, FPÖ, SPÖ, Grüne, KPÖ und die Liste Hans-Peter Martin sind ausnahmslos gegen Atomenergie, für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien und halten Energiesparen für wichtig.
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So weit, so gut. Hinterfragt man allerdings Details der einzelnen Vorschläge, sucht man vergeblich nach Antworten. Beispiel Atomenergie: Laut einer Studie der Internationalen Energieagentur benötigen alleine die 15 alten EU-Mitglieder bis zum Jahr 2030 zusätzliche Stromerzeugungsanlagen mit einer Leistung von 600.000 Megawatt. Das entspricht in etwa 800 zusätzlichen Großkraftwerken. Die Hälfte dieses Zuwachses entfällt auf den steigenden Energiebedarf, die andere Hälfte ist nötig, um alte Kraftwerke zu ersetzen, die das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben.
Atomkraft? Nein, danke.
Schon ohne einen Ausstieg Europas aus der Atomkraft wäre dieser Ausbau problematisch. Machbar ist er eigentlich nur mit Gaskraftwerken. Eine Folge davon wäre, dass die Abhängigkeit Europas von Erdgasimporten von derzeit 50 auf 80 Prozent steigt. Würde Europa hingegen auf die österreichischen Parteien hören und völlig aus der Atomenergie aussteigen (derzeit erzeugt Europa rund ein Drittel seines Stroms mit Atomkraftwerken), würde sich dieses Verhältnis so stark verschlechtern, das die Sicherheit der Energieversorgung insgesamt gefährdet wäre.
Österreich hat zwar ein Verbot von Atomkraftwerken in der Verfassung verankert. Die heimische Stromversorgung kommt aber dennoch nicht ohne Atomstrom aus. Der Anteil der Stromimporte aus dem Ausland nimmt in den letzten Jahren stetig zu (siehe obige Grafik). Mit diesem Anteil steigt auch die Atomstrom-Menge, die nach Österreich kommt. Wieviel Atomstrom genau importiert wird, lässt sich schwer sagen, da Strom bekanntlich kein Mascherl hat und die Import-Export-Bilanz von Jahreszeit zu Jahreszeit stark schwanken kann.
Ökostrom? Ja, bitte.
Immer wieder wird von politischer Seite der Eindruck erweckt, als könne man den zusätzlichen Energiebedarf der Zukunft zur Gänze durch Strom aus Biomasse, Windkraft oder Solarzellen abdecken. Die Grünen beispielsweise wollen, dass Österreich bis 2030 seinen Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien produziert.
Dazu nur ein Rechenbeispiel: Österreich verbraucht derzeit pro Jahr etwa 66.000 Gigawattstunden Elektrizität. Rund 39.000 davon (59 Prozent) stammen aus der traditionellen heimischen Wasserkraft-Produktion. Weitere 26.000 (39 Prozent) stammen aus Wärmekraftwerken. Der Ökostrom-Anteil liegt bei 1347 Gigawattstunden (2 Prozent).
Das Potenzial für traditionelle Wasserkraftwerke ist in Österreich erschöpft. Will man also jene 26.000 Gigawattstunden, die derzeit aus kalorischen Kraftwerken kommen, durch erneuerbare Energien ersetzen, so müsste das über Windkraft, Solarenergie oder Biomasse geschehen.
Um tatsächlich die Produktion zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen zu lassen, müsste man die Wind-, Solar- und Biomasse-Kapazitäten in Österreich verzwanzigfachen. Selbst wenn man so viele Windräder oder Solaranlagen in Österreich aufstellen könnte, hätte man mitunter das Problem, dass manchmal kein Wind geht oder keine Sonne scheint. Reservekapazitäten aus konventionellen Kraftwerken (auch kalorischen) wären also auf jeden Fall notwendig.
Eine Preisfrage
Neben der Frage der Sicherheit würde sich auch die Kostenfrage stellen: Der Marktpreis für Strom liegt derzeit bei etwa 4,5 Cent pro Kilowattstunde. Eine Kilowattstunde Strom aus Windkraft kostet hingegen 7,8 Cent, aus Biomasse zwischen 10 und 16 Cent, aus Sonnenenergie zwischen 47 und 60 Cent.
Daraus geht hervor, dass selbst nach einer Versechsfachung des Öl- und Gaspreises seit dem Jahr 2000 und den damit verbundenen Strompreisanstiegen sich Elektrizität um weitere 50 Prozent verteuern müsste, damit Windkraft zu Marktbedingungen konkurrenzfähig würde. Damit sich Biomasse rechnet, müsste sich der Strompreis etwa vervierfachen; für die Konkurrenzfähigkeit von Sonnenenergie müsste er sich verzehnfachen.
Auch der Umkehrschluss ist zulässig: Jede per Gesetz verordnete Anhebung des Ökostrom-Anteils würde die Stromkosten für die Haushalte in die Höhe treiben. Über den Daumen gepeilt lässt sich sagen, dass ein Ersatz der kalorischen Kraftwerkskapazitäten durch Ökostrom zu derzeitigen Bedingungen den Strompreis für Haushalte in etwa verdoppeln würde.
Ähnliche unerwartete Kostensteigerungen hat es in der Vergangenheit beim Ökostrom bereits gegeben. Das Ökostrom-Gesetz aus dem Jahr 2002 hatte das Ziel, bis zum Jahr 2007 den Ökostrom-Anteil auf 4 Prozent der Gesamt-Produktionsmenge des Jahres 1997 zu erhöhen. Die Förderung wird über Zuschläge auf den Endverbraucherpreis finanziert. In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war die Förderung so großzügig bemessen, dass die Anzahl der Ökostrom-Anlagen in Österreich förmlich explodiert ist. Allein zwischen 2003 und 2004 kam es zu einer Verdoppelung der Anlagen. Tatsächlich wird im Jahr 2007 der Anteil an Ökoenergie doppelt so hoch liegen wie ursprünglich angepeilt.
Eine Folge davon war, dass die Zuschläge auf den Strompreis stärker angehoben werden mussten als erwartet, weil deutlich mehr Fördergelder nötig wurden (siehe obige Grafik). Eine Novelle des Ökostromgesetzes im heurigen Jahr begrenzte zwar die künftige Förderung; da aber Altanlagen über einen Zeitraum von 13 Jahren gefördert werden, wird es noch bis zum Jahr 2018 dauern, bis die Förderung unter die ursprünglich geplante, maximale Kostenbelastung für Stromkunden sinkt.
Die FPÖ hat in ihrem Wahlprogramm dennoch die Abschaffung des neuen Ökostrom-Gesetzes verankert. Dafür soll die Mehrwertsteuer auf Energie halbiert werden (was laut Mehrwertsteuer-Richtlinie der EU allerdings nicht möglich ist).
Elektrische Strukturen
Nur wenig ist in den Wahlprogrammen darüber zu erfahren, wie sich die Parteien die künftige Struktur der heimischen Energiewirtschaft vorstellen. Seit vielen Jahren tobt ja ein Streit um eine "Österreichische Stromlösung", die den Verbund als größten Stromproduzenten des Landes mit den Landesenergieversorgern als größten Lieferanten für Endkunden zusammenführen soll. Gescheitert ist das stets an Rivalitäten, die ihren tieferen Ursprung in Differenzen zwischen Landes- und Bundespolitik haben. Jedes Land hat einen eigenen Energieversorger, während der Verbund dem Bund gehört. So mancher Experte sieht die Ursache für das Scheitern der Stromlösung in genau diesen Eigentumsstrukturen (siehe Grafik unten).
Die ÖVP hat seit dem Jahr 2000 mehrere Versuche unternommen, das in der Verfassung verankerte Mehrheitseigentum von 51 Prozent, das die öffentliche Hand an allen Stromversorgungsunternehmen halten muss, abzuschaffen. Gescheitert ist das stets daran, dass sie keinen Partner für die für Verfassungsänderungen nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament gefunden hat. Die SPÖ hat in ihrem Wahlprogramm die öffentliche Mehrheit an Energieversorgern verankert. Inoffiziell haben in der Vergangenheit freilich immer wieder SPÖ-Funktionäre durchblicken lassen, dass man sich auch einen staatlichen Kernaktionär mit einer Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie vorstellen könnte, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Alle anderen Parteien schweigen in ihren Wahlprogrammen zu diesem Punkt. Lediglich die FPÖ will, dass die Wasserkraft bei "heimischen, regionalen Unternehmen" sichergestellt wird. Was das bedeuten soll, ist nicht ganz klar. Denn die Wasserkraft ist größtenteils im Besitz des überregionalen Verbundes, nicht im Besitz der regionalen Landesversorger.