Wiens ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über die bevorstehende Wahl.
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Gernot Blümel ist zwar kein Minister mehr, aber immerhin noch ÖVP-Landesparteiobmann von Wien. Bei den bevorstehenden Nationalratswahlen ist für Blümel das erklärte Ziel, Platz zwei in Wien zu erreichen. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" geht der Wiener Parteichef - ganz im Wahlkampfmodus - mit seinen Mitbewerbern hart ins Gericht.
"Wiener Zeitung": Herr Blümel, derzeit gibt es viel Aufregung um Flächenwidmungen der Stadt Wien - ihre Partei vermutet gefällige Flächenwidmungen im Austausch für Spenden an Grün-nahe Vereine oder Aufträge für Grün-nahe Firmen. Haben Sie Beweise dafür? Glauben Sie, dass die SPÖ hier auch ihre Finger im Spiel hat?
Gernot Blümel: Die rot-grüne Heumarkt-Koalition deckt die Flächenwidmungspolitik des langjährigen Grünen Ex-Planungssprechers Chorherr offenbar seit vielen Jahren. Eine Politik - und das haben die Medien berichtet -, bei der große Investoren zu grünen Sponsoren geworden sind, um daraus für ihre Projekte Nutzen zu ziehen. Das wäre Korruption und deshalb gehört das umfassend aufgeklärt.
Was wollen Sie jetzt konkret tun?
Alle Flächenwidmungs- und Bebauungspläne, die in die Zeit von Christoph Chorherr fallen, müssen überprüft und einer Revision unterzogen werden. Deshalb fordern wir die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Es kann und darf nicht sein, dass man sich in Wien gefällige Flächenwidmungen mit Spenden an bestimmte Vereine oder Agenturen kaufen kann.
Wie ist die Minister-Pause für Sie - was haben Sie eigentlich die ganze Zeit gemacht?
Als Wiener Landesparteiobmann war ich in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv in Wien unterwegs und habe das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht. Wir arbeiten mit vollem Einsatz dafür, dass wir den Weg der Veränderung mit Sebastian Kurz an der Spitze fortsetzen können. Für Österreich und vor allem für Wien. Denn unser Weg hat erst begonnen.
Vermissen Sie es, Minister zu sein?
Nicht das Amt an sich. Mein Wunsch ist es aber natürlich, zu gestalten und für unser Land etwas weiterzubringen. Das ist der Grund, warum ich in der Politik bin.
Werden Sie wieder als Minister zur Verfügung stehen oder würden Sie lieber nach Wien gehen - und falls ja, in welcher Rolle?
Ich werde immer dort sein, wo ich am meisten für meine Heimatstadt Wien tun kann. Ich hoffe natürlich, dass die ÖVP der nächsten Regierung angehören wird, aber das ist längst nicht fix. Wenn es eine Mehrheit gegen Sebastian Kurz gibt, dann wird diese auch genutzt werden. Daher geht es für uns jetzt darum, so stark wie möglich zu werden. Dass ich als Spitzenkandidat für die Wien-Wahl antreten werde, habe ich immer gesagt und dabei bleibt es.
Wie geht es eigentlich der Wiener ÖVP, seitdem Sebastian Kurz nicht mehr Bundeskanzler ist?
So, wie es der ÖVP insgesamt geht. Wir sehen tagtäglich, dass alle anderen ein gemeinsamer Antrieb vereint: alle gegen die ÖVP. Eine Koalition aus Rot und Blau hat Sebastian Kurz als Bundeskanzler abgesetzt, jetzt entscheidet das Volk. Wir setzen alles daran, dass wir bei der kommenden Wahl so stark wie möglich sind und unseren Weg der Veränderung fortsetzen können.
Bei der FPÖ meint man, dass in Wien die Umfärbung von Schwarz auf Türkis nicht stattgefunden hat - zu viele "Alt-Schwarze" würden dagegen arbeiten. Was ist Ihre Wahrnehmung diesbezüglich?
Das mag das Wunschdenken anderer sein, die Realität ist eine andere. Gehen Sie mit offenen Augen durch die Stadt. Dann sehen Sie an allen Ecken und Enden Menschen in Türkis, die für mehr Türkis in Wien werben.
Viele haben den Eindruck, dass in Wien bereits über die Schiene Ruck/Ludwig an einer künftigen schwarz-roten Koalition gebastelt wird, deckt sich das mit Ihrer Wahrnehmung?
Der Wirtschaftskammer-Präsident setzt sich selbstverständlich für die Interessen der Wiener Wirtschaft ein - und das natürlich mit meiner vollen Unterstützung. Die gelebte rot-grüne Politik dazu, wie etwa laufende Gebührenerhöhungen trotz Gebührenüberschüssen und überbordende Bürokratie und Belastung für die Unternehmen, spricht jedoch leider eine andere Sprache.
Ist es taktisch klug, sich bei manchen Themen gegen die Wirtschaftskammer zu stellen - zum Beispiel das Rauchverbot?
Zum Thema Rauchverbot ist alles gesagt.
Was wäre Ihre Koalitionspräferenz für Wien 2020?
Eine Koalition, die den Willen zu gestalten und die Kraft zu verändern hat. Denn das ist in Wien dringend notwendig. Dazu muss die ÖVP möglichst stark werden. Die derzeitige rot-grüne Koalition verbindet vor allem, dass beide Parteien nichts wollen. Das schweißt sie zusammen.
Was sind - abgesehen von auf Sebastian Kurz bezogene Slogans - die Themenschwerpunkte der ÖVP für den Nationalratswahlkampf in Wien?
Runter mit den Steuern, Schluss mit den Schulden, mehr Geld zum Leben. Aktiv die Herausforderungen Pensionen und Klimawandel angehen. Für uns steht immer Gerechtigkeit für die Leistungswilligen im Mittelpunkt. Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein.
Was ist Ihre Prognose für die Nationalratswahl? Was wäre Ihr realistisches Wunschziel - vor allem vor dem Hintergrund, dass die ÖVP laut aktuellen Umfragen hinter den Erwartungen bleibt?
Wenn eine linke Mehrheit aus Rot-Grün-Neos möglich ist, wird diese auch kommen. Bei der Europawahl hat diese Konstellation mit 47 Prozent fast eine Mehrheit erreicht. Jedem muss bewusst sein: Sollte es diese Mehrheit im Nationalrat geben, wird sie auch realisiert werden. Wer Sebastian Kurz möchte, muss Sebastian Kurz wählen.
Hat die ÖVP noch ein Ass im Ärmel?
Unser Ass ist Sebastian Kurz und das großartige Team der Neuen Volkspartei.
Sie haben einmal gesagt, Sie könnten sich eine Heimkehr der Neos zur ÖVP vorstellen, um in Wien wieder das Bürgertum zu stärken. Wünschen Sie sich auch auf Bundesebene Türkis-Pink?
Die Neos sind in den letzten Jahren leider immer mehr nach links abgedriftet. Sie waren gegen die Einführung der Deutschförderklassen, gegen das Kopftuchverbot und gegen die Reform der Mindestsicherung. Sie sind sogar gegen den Lobau-Tunnel. Ich denke, hier gibt es zahlreiche offene Fragen. Sie werden von mir aber keine Koalitionsansage hören. Wir wollen so stark sein, dass es keine Mehrheit gegen uns gibt. Die Wähler sind am Wort.
Wäre für Sie auch Türkis-Rot eine Option?
Sie werden von mir keine Koalitionspräferenzen hören. Wir wollen so stark sein, dass es keine Mehrheit gegen uns gibt.
Und wie sieht es mit Schwarz-Grün aus?
Detto. Zuerst wird gewählt, dann wird gezählt und dann verhandelt.
Sie sind in letzter Zeit immer wieder auf Distanz zu einer Neuauflage von Türkis-Blau gegangen - was wären für Sie die Bedingungen, noch einmal so eine Koalition einzugehen?
Die sachliche Arbeit der letzten Bundesregierung war eine ausgezeichnete. Wir haben sehr viel weitergebracht und viele Reformen auf den Weg gebracht, über die zwar seit Jahrzehnten gesprochen wurde, die sich aber niemand traute tatsächlich anzugehen. Aber dann kam "Ibiza" mit Äußerungen von Machtfantasien und Korruptionsbereitschaft, inklusive fehlender Einsicht und fehlendem Aufklärungswillen innerhalb der FPÖ. Das wirkt, als sei die FPÖ tief gespalten in ein konstruktives Hofer- und ein destruktives Kickl-Lager. Es bleibt abzuwarten, welcher Flügel sich durchsetzt.
Welche von den genannten Parteien steht Ihnen - zumindest von den Themen her - persönlich am nächsten?
Ich habe mich vor langer Zeit für meine politische Heimat entschieden. Und ich liebäugle nicht mit anderen. Für eine Zusammenarbeit ist entscheidend, mit wem wir unsere Themen und Vorstellungen am besten umsetzen können. Das werden Regierungsverhandlungen zeigen.
Welche Konstellation wäre Ihrer Meinung nach auf Bundesebene am besten, um 2020 stark aus der Wien-Wahl hervortreten zu können - in den Nullerjahren hat der Wiener SPÖ Schwarz-Blau auf Bundesebene geholfen, weil sie als "Gegengewicht" agieren konnte?
Für mich steht im Mittelpunkt, was das Beste für Österreich und damit auch für Wien ist - und nicht das Beste für ein Ergebnis bei einer Wahl.