In der Diskussion um das Schutzalter nach der jüngst erfolgten Aufhebung des § 209 durch den VfGH wurden gestern die jeweiligen Standpunkte deutlich ausgesprochen. Während sich sowohl die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne als auch die FPÖ einhellig gegen eine Ersatzlösung wandten, forderte die ÖVP hingegen definitiv zwar eine "geschlechtsneutrale" Nachfolgeregelung - eine allgemeine Erhöhung der Altersgrenze auf 16 Jahre wäre aber vorstellbar. Die überparteiliche "Plattform gegen den § 209" zeigte sich "überglücklich", dennoch ob der stattfindenden Diskussion in ihrer Freude getrübt.
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Wie ÖVP-Klubchef Andreas Khol nach dem Bundesparteivorstand sagte, habe sich die Kanzlerpartei für eine Nachfolgeregelung entschieden - diese solle im Juli beschlossen werden. Angestrebt wird ein Passus, in dem besondere Schutzmaßnahmen für Jugendliche unter 16 fixiert werden sollen. Man werde jetzt mit dem Koalitionspartner verhandeln.
Dies dürfte jedoch ein schwieriges Unterfangen werden, denn eine Ersatzlösung kommt für die FPÖ keinesfalls in Frage, wie Abg. Eduard Mainoni in einer Pressekonferenz der "Plattform gegen den § 209" klarstellte. Denn: "Jeder Ersatz wäre wieder Unrecht." Und was die ÖVP anginge: Da die FPÖ die treibende Kraft sei, würde es ihr noch gelingen, den Regierungspartner ins Boot zu holen, so Mainoni. Er kann sich hingegen ein neues Gesetz vorstellen, um das Stricherunwesen zu unterbinden.
Plattform-Sprecher Helmut Graupner kann die Forderung der ÖVP nach mehr Schutzmaßnahmen nicht nachvollziehen. Derzeit gebe es rund 15 derartige Bestimmungen im Strafgesetzbuch. Graupner erinnerte an einen Ministerratsbeschluss vom 28. Oktober 1992, wonach die geltenden Strafbestimmungen von der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung als "ausreichend" befunden worden waren. Auch Heinz Patzelt von amnesty international sieht die Regelungen im internationalen Vergleich für "umfassend und ausreichend". Er fordert die volle Rehabilitation der Opfer.
Ein allgemeines Schutzalter von 16 Jahren sehen sowohl SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl als auch die Grün-Abg. Ulrike Lunacek als "gefährlichen Vorschlag", denn dies würde eine "Ausweitung der Kriminalisierung" auf tausende Jugendliche bedeuten. Beide Parteien fordern nach der Abschaffung des 209er weitere Schritte: die Anerkennung und Absicherung homosexueller Lebensgemeinschaften, ein Antidiskriminierungsgesetz sowie die Anerkennung homosexueller NS-Opfer im Opferfürsorgegesetz. Die Grünen wollen überdies Entschädigungen für Opfer des § 209.
Amnestieanträge werde Bundespräsident Thomas Klestil "wohlwollend prüfen", wie Meinhard Rauchensteiner aus der Präsidentschaftskanzlei gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärte. Im Alleingang kann der Präsident allerdings nicht tätig werden, denn der Weg führt an einer Prüfung durch das Justizministeriums nicht vorbei.
Auslöser der Debatte war ein VfGH-Urteil, wonach § 209, der homosexuelle geschlechtliche Handlungen von Männern über 19 mit Männern unter 18 unter Strafe stellt, "verfassungswidrig" sei, weil schwule Paare im Laufe ihrer Beziehung "wechselnder Strafbarkeit" ausgesetzt werden.