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Die Internetadresse google.com feierte den zehnten Geburtstag. Die dahinter steckende moderne Bibliothek von Alexandria stellt unser Wissen von der Welt gründlich auf den Kopf. | Am 15. September 1997 meldeten zwei Studenten der Stanford-University im US-Bundestaat Kalifornien die Internetadresse google.com an. Die Suchmaschine, mit der Google von jedermann auf Anhieb identifiziert wird, startete erst ein Jahr später.
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Umso traumhafter deshalb der raketenartige Aufstieg des Kommunikationsunternehmens, das bereits fast die Hälfte seines Umsatzes außerhalb der Vereinigten Staaten macht und mit seinen 10.600 Mitarbeitern im vorigen Jahr einen Gewinn von 2,4 Milliarden Euro einfuhr. Das war das Doppelte von 2005. Man kann hochrechnen, wie es mit dem börsenotierten Unternehmen weitergeht, freilich ohne Gewähr.
Große und riesige Gewinne machen auch andere Konzerne. Das Faszinierende oder - je nach Perspektive des Betrachters - Beängstigende ist, dass sich Google als ein Weltimperator auf dem Wissens- und Kommunikationssektor etabliert hat. Es ist ja längst nicht mehr die praktische Abfragemaschine, die das Wesen von Google ausmacht.
Das Unternehmen holt sich durch die den Suchbegriffen zugeschalteten Inserate zwar die Haupteinnahmen, aber seine Zukunft hat auf allen anderen Kommunikationsfeldern schon begonnen. Google rückt Mitbewerbern massiv an den Leib.
Nicht zufällig sind diese nach mehrjährigen defensiven Abwehrkämpfen dabei, ihr eigenes wirtschaftliches Überleben in der Partnerschaft mit dem Suchmaschinen-Riesen zu sichern. Dabei handelt es sich freilich keineswegs um mediale Hinterhofbetriebe, sondern um so namhafte Nachrichtenagenturen wie Agence France Presse und Associated Press. Google rühmt sich, allein im zweiten Quartal dieses Jahres rund eine Milliarde Dollar an Medienunternehmen ausgeschüttet zu haben.
Tatsächlich ist Google dabei, die Werbevermarktung weltweit zu revolutionieren. Es bietet Werbepakete ("Print-Ads") für Hunderte amerikanische Zeitungen an und wird über YouTube, das die junge Generation in seinen Bann schlägt, zu den Videoclips Werbung mitschicken. Bezahlt wird nach präzise feststellbarem Interesse der Internet-Surfer, deren Klicks bei jeder einzelnen Werbebotschaft verbucht und abgerechnet werden.
Auf diese Weise entsteht freilich sowohl im Informations- wie im Werbebereich ein nie erreichter Rückkopplungseffekt: Es setzen sich die Nachrichten und die Werbespots durch, die vom Publikum akzeptiert werden, die anderen bleiben im Filter hängen. Der Effekt reicht bis in die Literatur, in der selbstverständlich die englisch-amerikanische Literatur dominiert - nicht erst seit Google, aber dank Google im exponenziell wachsenden Ausmaß. Versuche der EU, die sprachliche Vielfalt der europäischen Literatur auf digitalem Weg zu verbreiten, sind schon deshalb dringend notwendig.
Aus all dem ergibt sich, dass Google eben nicht "alle Informationen dieser Welt" treuhändisch verwaltet, wie im klassischen Altertum die Bibliothek von Alexandria von sich behauptete. Der größte Informationsanbieter schneidet sogar weg, wenn Information über Politik in China, militärische Anlagen in Indien und Irak samt den dazu gehörigen Luftbildern den mächtigen Staaten nicht genehm sind.
Zu bremsen ist Google nicht, und eine seiner großartigsten Leistungen besteht darin, dem zweiten Kommunikationsriesen dieser Welt, nämlich Microsoft, erfolgreich Konkurrenz zu machen. Solange ganz oben Konkurrenz herrscht, können "die unten", nämlich die nach klassischen Methoden der Informationsbewertung arbeitenden Medienunternehmen, wenigstens noch hoffen, dass verlässliche Information ihre Nische findet.