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Die Nachricht war klar. "Wir haben nichts zu verbergen", verhieß der Aktenordner, den Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg bei der Pressekonferenz auf den Tisch wuchtete. Eine neue Geste in einem alten Spiel: (Fast) alle Jahre wieder kratzt der Grüne Harald Walser am Glanz des Neujahrskonzerts. Die Kritik: Das Orchester sträube sich, die eigene Rolle während der NS-Zeit aufzuarbeiten. Wobei Walsers Timing nicht von ungefähr kommt. Denn die Genese des Neujahrskonzerts ist problematisch. Nicht bloß, dass das erste Walzer-Event 1939 von Clemens Krauss dirigiert wurde, der im NS-Staat höchste Ämter innehatte. Nazi-Organisationen waren am Konzert beteiligt.
Nun kann man das den heutigen Philharmonikern schwerlich vorwerfen. Und: Gegen den Vorwurf der Geschichtsbeschönigung führt Hellsberg einiges ins Treffen. So hat ihn die Israelitische Kultusgemeinde für Verdienste um Vergangenheitsbewältigung geehrt; 2011 ist ein Buch über das zu NS-Zeiten instrumentalisierte Ensemble erschienen; Autor Fritz Trümpi durfte, wie er sagt, ungehemmt im Vereinsarchiv forschen.
Also doch alles okay? Nun ja. Bis zur ungehinderten Recherche hatte Trümpi sehr wohl Widerstände zu überwinden - womit irgendwie das Bild vom gerade einmal gelittenen Forscher hängen bleibt. Und auf der Orchester-Homepage liest sich die Genese des Neujahrskonzerts weiterhin nebulos.
So abgedroschen die Phrase ist: Es wäre vielleicht an der Zeit, dass das Orchester nicht nur zulässt, sondern in der Sache selbst einmal ein markantes Zeichen setzt. Das brächte vielleicht nichts Neues mehr zutage. Könnte aber gegen Neujahrs-Störgeräusche schützen.