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Alle Macht dem Präsidenten

Von Gerhard Lechner

Politik

Der mögliche neue ukrainische Premier Hrojsman gilt als Marionette von Staatschef Poroschenko. | Nimmt das Staatsoberhaupt - wie sein Vorgänger Janukowitsch - Kurs auf ein Präsidialsystem?


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Kiew. Es ist ein Machtpoker bis zum Schluss. Hatte es am Montag nach der Ankündigung des Rücktritts des ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk noch so ausgesehen, als sei die Nachfolge des Mannes aus Czernowitz so gut wie geregelt, so bot sich am Dienstag in Kiew erneut ein unklares Bild. Es gab Streit um die mögliche neue Regierungsmannschaft. Der Nachfolgekandidat Jazenjuks, Parlamentspräsident Wolodymyr Hrojsman, soll mehrere Kandidaten für Kabinettsposten abgelehnt haben. Hrojsman soll sogar damit gedroht haben, den Auftrag zur Regierungsbildung nun doch nicht anzunehmen - obwohl er sich am Montagabend noch dazu bereiterklärte. Der 38-Jährige pochte laut Abgeordneten des Parlaments in Kiew darauf, dass er Leute seines Vertrauens ins Kabinett holen dürfe - und keine Vorgaben aus der Kanzlei von Präsident Petro Poroschenko akzeptieren müsse.

Das ist verwunderlich: Wenn sich Hrojsman einen Ruf erarbeitet hat, dann des als treuer Gefolgsmann Poroschenkos. Er war bereits bei der letzten Regierungsbildung der Wunschkandidat des Präsidenten. "Hrojsman ist komplett von Poroschenko abhängig, ein zu 100 Prozent loyaler Gefolgsmann des Präsidenten", urteilt der ukrainische Politologe Kyryl Savin über den möglichen neuen Premier in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Konflikt nur Show?

Gut möglich also, dass der kleine Konflikt zwischen Poroschenko und Hrojsman nur Show ist. Dafür würde auch die kolportierte Nachfolgeregelung für Finanzministerin Natalia Jaresko sprechen: Abgeordneten zufolge wird die amerikanische Staatsbürgerin ukrainischer Herkunft, die in Kiew für die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern zuständig ist, nämlich der künftigen Regierung nicht mehr angehören. Jaresko hat im Westen ein gutes Image, in der Ukraine gilt sie als liberale Reformerin. Ihr Ausscheiden würde im Westen, der die Ukraine unterstützt, für Enttäuschung sorgen.

Jareskos kolportierter Nachfolger hätte Poroschenkos Stallgeruch: Mehrere Parlamentsmitglieder sprachen am Dienstag übereinstimmend davon, dass Oleksandr Daniljuk als neuer Finanzminister gehandelt wird. Der 40-Jährige ist der stellvertretende Chef von Poroschenkos Präsidialverwaltung. "Hrojsman will offenbar einige Leute aus der Präsidialadministration in die Regierung übernehmen. Das sieht nicht nach einem reformorientierten Kabinett aus, eher nach einer Stärkung der Macht des Präsidenten", sagte Susan Stewart von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik der "Wiener Zeitung".

Steht die Ukraine also gar vor einer Rückkehr zu einem Präsidialsystem wie unter dem umstrittenen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch? "Bei den Namen, die derzeit für Regierungsposten genannt werden, finden sich kaum Leute mit politischem Gewicht. Was man aber findet, sind namenlose Technokraten aus der zweiten Reihe, die sich eher dafür eignen, Vorgaben umzusetzen", sagte Kyryl Savin. Der Zuständige für die Ukraine bei der Akademie der Deutschen Welle hält es zwar für möglich, dass sich Hrojsman von Poroschenko langfristig emanzipieren wird. Die einflussreichen Oligarchen würden zumindest versuchen, seine Stellung gegenüber dem Staatschef zu stärken, um eine Machtbalance in der Ukraine zu sichern. "Dennoch sieht es gegenwärtig so aus, dass künftig die Entscheidungen nicht in der Regierung, sondern in der Präsidialadministration getroffen werden", meint Savin. "Die Regierung wäre dann nur noch ein Umsetzungsorgan" - wie es im postsowjetischen Raum von Russland über Kasachstan bis Weißrussland üblich ist.

Weiter wie bisher

Aber wäre es dafür nicht nötig, die Verfassung umzuschreiben? Schließlich wurden durch die Maidan-Revolution die Verfassungsänderungen Janukowitschs hin zu einem autokratischen Präsidialsystem wieder zurückgenommen. "Verfassungsänderung wird es wohl keine geben. Formal wird alles eingehalten werden", sagt Savin. Die Realverfassung wäre aber eine andere.

Und Susan Stewart vermutet, dass alles so weitergehen wird wie bisher. "Wie es jetzt aussieht, wird die neue Regierung in erster Linie den Interessen des eigenen Clans verpflichtet sein und gerade soviel Reformeifer zeigen, dass das Ausland die Ukraine weiterhin unterstützt."