Zum Hauptinhalt springen

Alle Macht den Ländern?

Von Hans Pechar

Gastkommentare

Wer verstehen will, warum Österreich so ist, wie es ist, muss die Landespolitik studieren. Sie ist ein Medium zur Pflege von vordemokratischen Mentalitäten und bietet ein Refugium vor den Zumutungen der modernen Welt. Globalisierung? In den Bundesländern wird die Politik noch im Bierzelt gemacht. Ein Nährboden | für die wahren politischen Lichtgestalten. Einen Jörg Haider. Oder einen Erwin Pröll.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich, habituell ein Nachfahre des Edlen Ochs von Lerchenau, ist der Mann fürs Grobe in der Konferenz der Provinzfürsten. Als solcher hielt er die Zeit für gekommen, um endlich aufzuräumen mit der Debatte darüber, wer Dienstgeber der Lehrer sein soll. Den Kompetenzdschungel bei den Pflichtschullehrern, den die Bildungsministerin abzuschaffen versucht, will Pröll auch auf die Lehrer für höhere Schulen ausdehnen. Dass Letztere vom Bund angestellt werden, entzieht sie seinem Machtzugriff. Daher werden Primitivreflexe gegen den "Zentralismus", der im Zwergstaat Österreich bekanntlich bedrohliche Ausmaße angenommen hat, mobilisiert.

Der derzeitige Bildungsföderalismus hat das Gefangenendilemma in den Verfassungsrang erhoben. Dieses Dilemma ist ein spieltheoretisches Modell für Situationen, in denen individuell rationale Entscheidungen zu kollektiv schlechten Ergebnissen führen. Unzählige Studien haben belegt, dass zu hohe und unzweckmäßige Ausgaben entstehen, wenn die Länder anschaffen, was der Bund bezahlen muss. Erst vor wenigen Wochen gab der Rechnungshof bekannt, dass sich die Länder im Vorjahr durch falsche Angaben über die Zahl der Pflichtschullehrer schlappe 75 Millionen Euro erschlichen haben. Eine Summe, die sich noch erheblich steigern ließe, würde man den Kompetenzdschungel auch auf die Bundeslehrer ausdehnen.

Wenn die Länder partout die Lehrer anstellen wollen, müsste man ihnen Steuereinnahmen ermöglichen, damit sie diese bezahlen können. Zwar versteht jedes Kind, dass Verantwortung für Ausgaben und Finanzierung in eine Hand gehören, aber Politik ist ja nicht Kindersache. Sie ist Sache von Landesfürsten, die - wenn sie im Bierzelt Hände schütteln - in die vertrauensseligen Augen ihrer Schutzbefohlenen blicken wollen. Das Einheben von Steuern aber könnte die Vertrauensbasis erschüttern. Viel angenehmer ist es, das Geld auszugeben, das die bösen Zentralisten eintreiben.

Noch im Vorjahr wollte die Regierung drei Milliarden Euro jährlich über eine Verwaltungsreform einsparen, mit der Schulverwaltung als einem Eckpfeiler. Davon haben sich Werner Faymann & Co wohl schon verabschiedet. Die Reaktion des Kanzlers auf den dreisten Vorstoß Prölls war sehr verhalten. Für eine Föderalismusreform brauche man ein gutes Verhältnis zu den Landeshauptleuten. Schon wahr. Aber überlassen darf man ihnen diese Reform nicht. Sonst bleibt Österreich, wie es ist.

Hans Pechar leitet die Abteilung Hochschulforschung an der Universität Klagenfurt.