Wie aus den EU-Energieplänen eine effektive Übergewinnsteuer werden kann - eine Anleitung für die Bundesregierung.
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Die EU hat es mittlerweile verstanden, Werner Kogler auch. Vor kurzem hat der Vizekanzler angekündigt, die Übergewinne von Energiekonzernen in Österreich besteuern zu wollen. Ende September bereits haben sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf eine EU-weite Abschöpfung der Übergewinne im Energiesektor geeinigt.
Die EU setzt nach dem Vorschlag der EU-Kommission auf ein Zwei-Säulen-Modell: Für den Stromsektor soll eine Preisobergrenze für realisierte Transaktionen ("Price Cap") kommen; die Beträge, die über diesem "Price Cap" liegen, werden zur Gänze für Antiteuerungsmaßnahmen abgeschöpft. Die Regelung gilt ab spätestens Dezember 2022 bis Juni 2023 für alle Strommärkte und Fristigkeiten. Im Mineralölbereich ist eine bilanzbasierte "Solidaritätsabgabe" geplant, die die Übergewinne 2022 und/oder 2023 mit "zumindest 33 Prozent" besteuert. Die technischen Details der Umsetzung werden weitgehend den Mitgliedsstaaten überlassen.
Die europäische Einigung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sie hat aber zwei wesentliche Schwächen: Die offensichtliche Schwäche ist, dass die Abschöpfung der Übergewinne reichlich moderat ausfällt. Mit 180 Euro je Megawattstunde (MWh) liegt die Obergrenze für Stromgeschäfte deutlich über dem Vorkrisenpreis und auch deutlich über den üblichen Ökostromförderpreisen. Bei durchschnittlichen Gestehungskosten von 40 bis 90 Euro je MWh verbleiben also weiter üppige Kriegsgewinne in den Unternehmen. Auch die 33-prozentige Steuer im Mineralölbereich liegt deutlich unter den Möglichkeiten. AK und ÖGB haben in ihrem Übergewinnbesteuerungsmodell von Ende August einen progressiven Steuersatz von 60 bis 90 Prozent vorgeschlagen.
Die größere Schwäche des EU-Modells ist aber die Laufzeit. So soll die Laufzeit bei der Besteuerung der Stromproduzenten auf sieben Monate beschränkt sein. Das Gros der Übergewinne 2022 und 2023 bleibt damit den Unternehmen. Der transaktionsbasierte Ansatz, der beim einzelnen Stromgeschäft ansetzt, erlaubt auch nicht mehr, weil bereits abgeschlossene Geschäfte kaum noch zu rekonstruieren sind. Flexibler ist da die Solidaritätsabgabe im Mineralölbereich. Sie setzt beim jährlichen Bilanzgewinn an, wo auch die Übergewinne 2022 (und 2023) problemlos erfasst werden können.
Schwächen des EU-Modells korrigieren
Österreich steht vor einer immensen Herausforderung. Die Regierung hat bereits einige Entlastungsmaßnahmen gesetzt, denen aber weitere folgen müssen. So braucht es eine Ausweitung des Strompreisdeckels auf Gas, Fernwärme und strombasierte Heizsysteme, damit sich die Haushalte im Winter das Heizen noch leisten können. Das alles kostet Geld. Der Finanzminister muss bei der Umsetzung der EU-Pläne daher alle nationalen Spielräume ausnutzen, um eine möglichst effektive Besteuerung der Übergewinne auf den Weg zu bringen.
Die beste Basis dafür ist die bilanzbasierte Solidaritätsabgabe für den Mineralölbereich. Die EU-Verordnung gestattet explizit, den vorgesehenen Steuersatz von 33 Prozent bedeutend zu erhöhen, um ein ähnlich hohes Aufkommen zu erzielen, wie es im AK-ÖGB-Modell vorgesehen ist, und alle Übergewinne 2022 und 2023 zu erfassen. Diese national nachgeschärfte Solidaritätsabgabe könnte dann auf den gesamten Energiesektor ausgerollt werden, also auch die Strom- und Gasunternehmen erfassen.
Das heißt, die Solidaritätsabgabe und der "Price Cap" im Stromsektor würden über einige Monate parallel laufen. Die Solidaritätsabgabe würde jene Übergewinne abschöpfen, die der "Price Cap" nicht erfasst - insbesondere in den Monaten, wo das EU-Modell für den Strombereich keine Besteuerung vorsieht. Das Einnahmenpotenzial der Übergewinnsteuer würde damit erheblich steigen, ohne den bürokratischen Aufwand für Verwaltung und Unternehmen stark zu erhöhen.
EU-rechtlich sollte das möglich sein. Die EU-Verordnung selbst erlaubt (neue) nationale Maßnahmen, die die Markterlöse der Stromerzeuger "weiter begrenzen". Die Voraussetzung, dass die Investitionssignale gewahrt bleiben, könnte durch den im AK-ÖGB-Übergewinnsteuermodell vorgesehenen Sonderabzug für Investitionen in erneuerbare Energieträger erfüllt werden. Die Möglichkeiten wären also vorhanden; die Frage ist, ob auch der politische Wille da ist.