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"Alle reden vom Wetter - wir zeigens"

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Wussten Sie, dass vier Fünftel aller wirtschaftlichen Aktivitäten vom Wetter beeinflusst sind? Von der Landwirtschaft bis zur Getränkeindustrie, von Luftfahrt bis Baubranche.


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Alle großen Dinge haben klein angefangen. Im brandenburgischen Lindenberg, 80 Kilometer südöstlich von Berlin, bahnt sich so etwas an: Vor drei Jahren entstand hier das erste und bislang einzige Wetter-Museum in Deutschland. In unmittelbarer Nähe eines der beiden bundesdeutschen Observatorien. "Willem Zwo", der letzte deutsche Kaiser, hatte die Bedeutung der Wetterforschung für die Luftfahrt früh erkannt und ließ es sich nicht nehmen, das "Königlich-Preußische Aeronautische Observatorium" am 16. Oktober 1905 höchstpersönlich einzuweihen. Es überdauerte die Weltkriege, die Nazis und die Sozis und steht heute als international renommierte Einrichtung unter der Leitung eines - Österreichers.

In einer aufgelassenen Schule etablierte sich das neue Museum. Dort kann man Handanemometer mit Schalen bestaunen, oder Wäge-Schneemesser, Thermographen oder Psychrometer, Barographen oder Wolkenquadranten. Einen Spiegel findet man da, mit eingelassenen Kreisen und Segmenten; er hilft, Geschwindigkeit und Richtung des Wolkenzuges genau zu bestimmen.

Eine andere Vitrine zeigt ein Barometer aus der berühmten Pariser Instrumenten-Manufaktur Jules Richard, ein Aneroidbarometer, das an der leichten Verformung einer Blechdose den Druck ablesen kann, mit dem die Luft auf die Dose drückt. Die Genauigkeit der Messung wird gleich von zwölf ineinander gestapelten Vidie-Dosen erhöht.

"Es ist erstaunlich, welch hohe Qualitätsmaßstäbe die Meteorologen vor hundert Jahren an ihre Arbeit gelegt haben", erklärt der Mentor und Chef des Museums, Diplommeteorologe Bernd Stiller begeistert. "Was wir heute Qualitätssicherung nennen, kannten unsere Altvorderen längst." Diesen hohen Anspruch erläutert er an dem Aßmannschen Psychrometer, mit dessen Hilfe man die Luftfeuchtigkeit zuverlässiger als mit den Haar-Hygrometern messen konnte, für die Frauen ein Haar opfern mussten. Alle möglichen Störfaktoren wurden ausgeschaltet. Richard Aßmann war übrigens der Gründungsdirektor des Observatoriums.

Man erfährt auch eine Menge Kurioses. Zum Beispiel, dass der schwedische Physiker Anders Celsius die hundert Grad als Gefrierpunkt und die null Grad als Siedepunkt festgelegt hatte. Erst nach seinem Tod wurde die Skala umgedreht. Oder man kann die allererste Wetterkarte sehen, die in einer Zeitung erschien, nämlich 1880 in Magdeburg. Oder den Fund eines UFOs, den ein entsetzter Bauer in seinem Garten machte. Dieses Stück landete im Museum, nachdem es sich als der geplatzte Ballon entpuppte, an dem noch die Wettersonde hing.

Ich habe gelernt, dass der Klima-Michel jener Herr ist, der die "gefühlte Temperatur" bestimmt. Er ist 35 Jahre alt, 1,75 Meter groß und wiegt 75 Kilogramm. Er geht mit vier Stundenkilometern auf ebener Strecke, bekleidet mit einer leichten langen Hose, einem kurzärmeligen Hemd und Sandalen im Sommer; Anzug, Mütze, Mantel und festen Schuhen im Winter. Die Formel zur Berechnung des für mich behaglichsten Wetters war mir aber doch zu unbehaglich kompliziert.

Beeindruckt sind die Besucher von der Drachenhalle. Riesige zweimannshohe, in sich bewegliche Bambusstrukturen, mit Drähten verbunden und Leinensegeln verkleidet, trugen die Instrumente in luftige Höhen. Stolz verweist man uns darauf, dass hier am 1. August 1919 ein Weltrekord erzielt wurde, als ein von Lindenberg gestarteter Drachen bis 9740 Meter aufstieg. Der Rekord wurde bis heute nicht überboten.

Reden Sie nicht nur vom Wetter, schaun Sie sichs doch an!