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Alle wollen Amazon

Von WZ-Korrespondent John Dyer

Wirtschaft

Insgesamt 238 Städte bewerben sich um den Zweitsitz des Online-Shops.


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Boston. (ce) Sollte Worcester im US-Bundesstaat Massachusetts den Zuschlag für das zweite Hauptquartier von Amazon erhalten, müsste Francis Gibson mit seinem Unternehmen umziehen. Doch das ist ihm egal. Er ist als Zulieferer in der Lebensmittelbranche tätig und unterhält ein Warenlager auf dem Areal, das die Stadt Amazon angeboten hat. "Sie werden überall jemandem auf die Füße treten", so Gibson. Doch die Vorteile würden überwiegen. Mehr Arbeitsplätze, mehr Geld, mehr Restaurantbesuche lautet seine Rechnung.

Worcester, rund 65 Kilometer von Boston entfernt, ist eine von 238 Städten, die sich um die Ansiedlung von Amazon beworben hat. Der zweite Hauptsitz soll mit Investitionen von 3,7 Milliarden Dollar (umgerechnet 3,1 Milliarden Euro) realisiert werden. Die vorgesehenen 53.000 Angestellten würden zusätzlich 38 Milliarden Dollar in der Region ausgeben. Nachdem am Hauptsitz in Seattle nicht mehr genügend Platz ist, hat das Online-Warenhaus einen Wettbewerb gestartet und am Montag die Bewerber vorgestellt. Diese sind nicht nur in den gesamten USA verteilt, sondern auch in Mexiko und Kanada. Im kommenden Jahr soll dann die Entscheidung fallen.

Georgia will Stadt namens Amazon gründen

Städte wie Worcester und Kansas City versuchen einerseits mit Trümpfen wie gut ausgebildeten und zahlreichen Arbeitskräften, nahe gelegenen Hochschulen und der Infrastruktur zu punkten. Doch die Bewerber sind zudem durchaus kreativ. So hat der Bürgermeister von Kansas City, Sly James, gleich noch 1000 Produkte auf der Seite von Amazon mit fünf Sternen bewertet. Tucson hat einen riesigen Kaktus mitgeschickt. Der Bürgermeister von Washington D.C. hat ein Video über ein Gespräch mit dem sprachgesteuerten Amazon-Assistenten Alexa gedreht.

Und Stonecrest in Georgia hat angeboten, gleich noch eine Stadt namens Amazon zu gründen.

Ganz hoch im Kurs stehen natürlich auch Steuervergünstigungen, bei denen ein regelrechter Wettlauf entstanden ist. Worcester bietet 500 Millionen Dollar, Chicago 2,5 Milliarden Dollar und New Jersey sogar enorme 7 Milliarden Dollar.

Chris Christie, Gouverneur des Staates New Jersey, sagte, dass es das auch durchaus wert sei. Die größte Stadt des Staates, Newark, könnte durch Amazon wieder aufgebaut werden, nachdem es dort in den 60er Jahren Rassenunruhen gegeben hatte, von denen sich die Stadt wirtschaftlich nie richtig erholt hat.

Doch gegen diese Einstellung gibt es auch Widerstand. So sollte New Jersey das Geld lieber in die Infrastruktur investieren. "Die wollen die sowieso schon großzügigen Steuervergünstigungen für Firmen jetzt noch verdoppeln", meint Jon Whiten, Vizepräsident von New Jersey Policy Perspective, einer Gruppe, die sich für eine nachhaltige Verwaltung einsetzt. Er hätte sich stattdessen Milliardeninvestitionen in die Transportsysteme oder preisgünstige Immobilien gewünscht.

Auch in einem Meinungsbeitrag der "Los Angeles Times" wurde kritisiert, dass die Gemeinden regelrecht unterwürfig gegenüber Amazon auftreten. "Amazon möchte eine ständige Niederlassung gründen. Dass sie Angebote einholen, ist gerissen und beinahe zynisch. Schließlich sind viele Städte verzweifelt darum bemüht, ein renommiertes Firmenhauptquartier mitsamt der Arbeitsplätze und Investitionen anzulocken." Laut der Zeitung hat Amazon den Gemeinden auch nicht genügend Zeit gegeben, um die wirtschaftlichen Folgen der Steuervergünstigungen und von weiteren notwendigen Ausgaben zu berechnen.

Auch die renommierte "Los Angeles Times" kommt zu dem Schluss, dass sich das gemeinsame Angebot von Los Angeles und anderen Gemeinden rechnen könne. "Fairerweise muss man sagen, dass das Projekt von Amazon einen massiven Schub für jede lokale Volkswirtschaft darstellen würde."

Kampf um Vorherrschaft bei künstlicher Intelligenz

Unterdessen setzt Amazon im Kampf um die Vorherrschaft bei der Künstlichen Intelligenz (KI) auf eine Zusammenarbeit mit europäischen Wissenschaftlern. Dafür werde eine Forschungsstätte nahe des Max-Planck-Campus in Tübingen eröffnet, in der in spätestens fünf Jahren 100 Mitarbeiter arbeiten sollen, so der Onlinehändler. Zwei Direktoren vom Max-Planck-Institut würden den neuen Standort unterstützen. Die Forschungsergebnisse sollen unter anderem darauf abzielen, Amazons persönlichen Sprachassistenten Alexa und die Cloud-Plattform AWS zu verbessern. In diesen Bereichen ist es besonders wichtig, dass die Systeme eigenständig Probleme lösen und ihre Handlung aufgrund von Erfahrungen anpassen können.

Immer mehr Firmen messen der KI-Forschung einen hohen Stellenwert bei. Kürzlich kündigte Amazon-Rivale Alibaba an, 15 Milliarden Dollar in den Aufbau von Forschungszentren zu investieren. Facebook will zu KI in Kanada forschen und Google erwarb im März die Plattform Kaggle, die unter anderem Wettbewerbe zum Maschinenlernen veranstaltet. Marktforscher sind der Meinung, dass die Fähigkeit von Firmen, KI einzusetzen, künftig den Geschäftserfolg ganz entscheidend mitbestimmen wird.