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Alle wollen Neuwahlen, niemand sagt es

Von Brigitte Pechar

Analysen

Analyse: Nach dem Rücktritt von Mitterlehner gibt es keine Anzeichen auf eine bessere Gesprächskultur in der Regierung.


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Wien. "Ich biete der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpartnerschaft an", sagte Bundeskanzler Christian Kern am Mittwoch in einer Reaktion auf den Rücktritt von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, den er bedaure, aber verstehen und akzeptieren könne. Der Abgang des Mannes des Ausgleichs, wie sich Mitterlehner auch selbst bezeichnete, und des gelernten Sozialpartners wird die Regierungsarbeit enorm verändern. Schließlich war der Vizekanzler einer derjenigen, der versuchte, die Wogen zu glätten und die Arbeit voranzubringen - ein Kapitän, um im Fußballjargon zu sprechen. Sebastian Kurz, die Hoffnung der ÖVP und möglicherweise demnächst an Kerns Seite, war bisher eher als Einzelkämpfer bekannt.

Der Bundeskanzler hat jedenfalls klargestellt, dass er weiterarbeiten und keine Neuwahlen will. Damit gilt das im Jänner beschlossene Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018. Und da sind noch einige große Reformpläne nicht auf Schiene. Die wirtschaftliche Basis dafür ist aber bereits viel erfreulicher als noch im Jänner. Die Arbeitslosenzahlen gehen stetig zurück; das Wirtschaftswachstum wird ebenfalls laufend leicht nach oben korrigiert; die Steuerreform hat den Privatkonsum angekurbelt; das bessere Klima ist auch bei den Unternehmen angekommen, was wiederum mehr Investitionen zur Folge hat; die Exporte ziehen an. Es gibt schlechtere Ausgangsdaten für Neuwahlen, dennoch soll es weitergehen - wenn möglich bis Herbst 2018.

Gute Wirtschaftsdaten

Das wiederum bedeutet für die Regierung, dass sie ein besseres Bild abgeben muss als bisher, denn, dass es im Land wirtschaftlich wieder aufwärtsgeht, dass Österreichs Forschungsförderung international gut ankommt, dass die Universitäten auch baulich saniert werden, wird durch den Dauerstreit der Regierung völlig übertüncht. Und so folgte auf Kerns Angebot zur Reformpartnerschaft also gleich ein Ressentiment der ÖVP: "Wenn das Angebot ernst gemeint ist, treten wir diesem Angebot im Interesse Österreichs gerne näher, um unser Regierungsprogramm abzuarbeiten", erklärte Generalsekretär Werner Amon. Angesichts der jüngsten Ereignisse sei dies jedoch "unglaubwürdig, denn es muss völlig klar sein und deutlich ausgesprochen werden, dass die Dauerinszenierung und die Wahlkampf-Aktivitäten ebenso wie die Angriffe auf Repräsentanten des Regierungsteams ein Ende haben müssen", forderte Amon - und zwar in Richtung SPÖ.

Zuvor hatte Niko Kern, der Sohn des Kanzlers und SPÖ-Funktionär, per Tweet Kurz mit dem afrikanischen Massenmörder Idi Amin verglichen und so für Ärger in schwarzen Kreisen gesorgt.

Es scheint also, dass den Regierungspartnern selbst ein Abgang des Parteichefs nicht genügt. Am 9. Mai 2016 hat Werner Faymann seine Funktionen als Kanzler und SPÖ-Chef zurückgelegt, am 10. Mai 2017 tat dies Mitterlehner. In all der Zeit haben die Querschüsse aus beiden Parteien nicht nachgelassen.

"Wenn er sagt, dass es so nicht weiter gehen kann, weder in der ÖVP noch in der Regierung, dann hat er damit vollkommen recht", meldete sich Außenminister Kurz gestern zur Erklärung von Mitterlehner zu Wort. Aber nichts deutet im Moment darauf hin, dass eine Verbesserung Platz greift und die Regierung eine amikale Gesprächskultur aufbauen könnte. So oder so scheint das Ende der Großen Koalition nahe. Es geht nur noch darum, wer von beiden zuerst sagt: "Es reicht."

Hoffnung im Élysée-Palast

Am Rande einer Abendveranstaltung der Telekom Austria bei der es eigentlich um digitale Zukunft ging, äußerte sich Kern nochmals: "Der Tag ist anders verlaufen, als ich ihn mir morgens vorgestellt hatte." Er erneuerte das Angebot an die ÖVP: "Vielleicht geht es mit der ÖVP unter neuen Bedingungen." Gleichzeitig beklagte er den politischen Stil. "Wir vereinbaren Ganztagsschulen und reden plötzlich über eine Flüchtlingsobergrenze, wir vereinbaren ein Wachstumspakt und diskutieren über Demoverbote. Wir vereinbaren Beschäftigungspakete und reden über eine Hammer und Sichel Broschüre." Optimismus schöpft er am Beispiel von Emmanuel Macron. "Eine Politik, die Hoffnung stärkt, sitzt nächste Woche im Élysée-Palast", freute sich der SPÖ-Vorsitzende.

An Arbeit mangelt es der Regierung jedenfalls nicht. Zuletzt hat Mitterlehner als Wissenschaftsminister die neue Universitätsfinanzierung mit einer Studienplatzbewirtschaftung auf den Weg gebracht. Aus der Universitätenkonferenz kommt überwiegend Zustimmung, wenngleich einige kleinere Unis wie die Johannes Kepler Universität Linz noch Verhandlungsbedarf sehen. Noch muss diese Reform der Unifinanzierung mit der SPÖ verhandelt werden. Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/18 vom Jänner sieht vor, dass das Konzept für die Studienplatzbewirtschaftung im Juni vorgelegt wird und im Oktober im Ministerrat beschlossen werden soll. Hier hat das Wissenschaftsministerium also den Zeitplan übererfüllt.

Weg frei für Schulautonomie

Auch im Schulbereich scheint der Abschluss eines großen Reformpakets nahe. Am Mittwoch hat sich Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) mit den Lehrergewerkschaftern zu einer finalen Verhandlungsrunde getroffen, um das Schulautonomiepaket zu fixieren. Damit könnte an den Schulen ein Kulturwandel gelingen - wenn die Reformen am Ende nicht wieder völlig ausgehöhlt werden.

Das zumindest zeigt, dass auch neben Regierungsstreitigkeiten und allfälligen Regierungsumbildungen noch gearbeitet werden kann.

Das müsste jetzt nur noch der Bevölkerung übereinstimmend als Erfolg erklärt werden.