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Alle wollten am Risikokuchen mitnaschen

Von Stefan Melichar

Analysen

Die Bedeutung des Wortes "hedge" (absichern) scheinen moderne Hedgefonds weitgehend aus den Augen verloren zu haben. Ging es ursprünglich darum, Investments gegen Kursschwankungen zu schützen, so ist es heute das Ziel, die Märkte mittels komplexer Taktiken auszutricksen oder zu beeinflussen. Dies wird durch das schiere Volumen der eingesetzten Finanzmittel möglich: Zum einen verfügen Hedgefonds über das Kapital milliardenschwerer Investoren - so legen etwa Pensionsfonds einen Teil ihres Geldes in der Hoffnung auf hohe Erträge risikoreich an. Zum anderen gehört es zu einer beliebten Hedgefonds-Strategie, die eigenen Mittel mit Hilfe von Krediten zu vervielfachen.


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Allerdings geht die - vom ehemaligen deutschen Vizekanzler Franz Müntefering geprägte - Bezeichnung "Heuschrecken" in Zusammenhang mit Hedgefonds meist an den Tatsachen vorbei. Diese streben nämlich im Gegensatz zu Private-Equity-Fonds nicht unbedingt eine kontrollierende Wirkung auf Unternehmen an. Hedgefonds beteiligen sich nicht als strategische Investoren, sondern sind auf kurzfristige Gewinne aus. So gehört es zu den gängigen Praktiken, bei Unternehmen einzusteigen, die knapp davor stehen, übernommen zu werden, um im Rahmen des Verkaufsprozesses möglichst viel für die eigene Tasche herausschlagen zu können. Beispiel hierfür ist das Gezerre um die Übernahme der Bank Austria durch die italienische UniCredit (die "Wiener Zeitung" berichtete). Dass die Sorge, einzelne Hedgefonds könnten die Gesamtwirtschaft in Probleme stürzen, nicht ganz unberechtigt sein dürfte, zeigt die Vergangenheit. So hat etwa der US-Investor George Soros im Jahr 1992 an einem Tag eine Milliarde Dollar damit verdient, entgegen den Bestrebungen der Bank of England eine Abwertung des britischen Pfunds zu erzwingen - was zum Scheitern des Europäischen Währungssystems beigetragen hat.

Dass es diesmal - anders als beim Zusammenbruch von Long-Term Capital Management 1998 - nicht Hedgefonds zu sein scheinen, die der Auslöser für die aktuelle Finanzkrise sind, muss nicht heißen, dass diese heute verantwortungsbewusster agieren. Dennoch sollte es vor allem die traditionell Hedgefonds-kritischen Deutschen nachdenklich stimmen, dass gerade die staatsnahe Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB und die Landesbank SachsenLB Hauptbetroffene der Krise gewesen sind. Stanley Fink vom weltgrößten börsenotierten Hedgefonds-Anbieter, der Man Group, bringt es auf den Punkt: "Die meisten Dinge, die Hedgefonds tun, machen auch Investmentbanken." Im Fall der ABS-Zockerpapiere (siehe Artikel oben) wollten eben alle - gereizt von zunächst hohen Renditen - am Risikokuchen mitnaschen. Generell dürften sich die Grenzen zwischen Banken und anderen Finanzinvestoren weitgehend aufgelöst haben, was von Beobachtern als Risiko betrachtet wird. Ob es zielführend ist, schärfere Regeln für Rating-Agenturen einzuführen, bleibt abzuwarten. Risikomanager betonen immer wieder, wie schwierig es selbst für Profis ist, komplexe Finanzprodukte zu bewerten. Und dass die aktuelle Kreditkrise dazu angetan sein könnte, Investoren das Interesse an undurchschaubaren, aber ertragreichen Anlagestrategien zu nehmen, scheint eher unwahrscheinlich.