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Natürlich haben die beiden Beispiele auf den ersten Blick wenig gemeinsam. Im einen Fall tobt, fast fünfeinhalbtausend Kilometer von Brüssel entfernt, ein brutaler Bürgerkrieg samt drohendem Völkermord.
Im anderen Fall gleitet das nach Russland größte Flächenland Europas in einen Bürgerkrieg ab. Nicht irgendein Land also, sondern ein Staat, der an vier EU-Mitglieder grenzt; der für die regionale Stabilität von überragender Bedeutung ist.
Der gern zitierte vernunftbegabte Beobachter von einem anderen Stern würde wohl sein Vermögen darauf wetten (wenn es denn so etwas wie Vermögen auch bei außerirdischen Lebensformen gibt), dass eine Regionalmacht wie die EU auf die Entwicklungen im Nachbarland eher vorbereitet wäre als auf den Lauf der Dinge in einem weit entfernten Land.
Die europäische Realität schaut anders aus: Die EU schickt Soldaten nach Zentralafrika. Zwar nur 500 statt der erwarteten 1000, aber immerhin. Der Krise in der Ukraine dagegen, einem unmittelbaren Nachbarland, stehen Europas politische Eliten mit einer Ratlosigkeit gegenüber, die einen wortlos verstummen lässt.
Um nicht missverstanden zu werden: Für die zentralafrikanische Mission gibt es viele gute Gründe, nicht zuletzt ethische. Erklärungsbedürftig ist Europas Hilflosigkeit im Umgang mit Kiew. Zumal mit einer Eskalation der Lage angesichts der Spaltung des Landes durchaus zu rechnen war. Zumindest hätte ein Worst-Case-Szenario eine solche Entwicklung als Möglichkeit berücksichtigen müssen.
Das ist ein Ausmaß an politischer Ignoranz, die an die Grenze der Fahrlässigkeit heranreicht.
Natürlich gibt es im Umgang mit der Ukraine keine einfachen, schon gar keine schnellen Lösungen. Das Land ist zwischen Ost und West tief gespalten und wirtschaftspolitisch, insbesondere energiepolitisch dem Würgegriff Russlands ausgeliefert. Die Ukraine an Europa zu binden, ist politische Knochenarbeit.
Man hat jedoch den Eindruck, Europa setzt lieber auf Hollywood-Dramaturgie, zuerst mit einer hübschen blonden Frau, und jetzt, nachdem dieser Plan nicht aufging, mit einem starken Ex-Boxer als Retter. Wenn das wirklich Europas Plan ist, steht es schlecht um die europäische Zukunft der Ukraine. Kein Wunder, dass sich die Demonstranten zunehmend allein gelassen fühlen.