Die afro-deutsche Filmemacherin Mo Asumang begibt sich in ihrer aktuellen Dokumentation in Feindesland.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Berlin. Wenn Mo Asumang für ihre Filme recherchiert, stößt sie schon einmal auf verschlossene Türen. Für ihre aktuelle Dokumentation "Die Arier" besuchte sie Kundgebungen der rechtsextremen deutschen Partei NPD und traf sich mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klan. Leicht hatte es die Berlinerin mit ghanaischen Wurzeln dabei nicht, wie die 50-Jährige im Interview mit der "Wiener Zeitung" erzählt.
"Wiener Zeitung":Ist Ihr aktueller Film "Die Arier" auch als Reaktion auf die Zunahme rechter Tendenzen in Europa zu verstehen?Mo Asumang: Für mich ist wichtig, dass man zum Thema Rechtsextremismus nicht nur deshalb aufrüttelt, weil es in Deutschland Neonazis gibt. Da braucht man sich nur die Wahlerfolge des Front National in Frankreich oder der Jobbik-Partei in Ungarn ansehen. Aber auch in vielen anderen Ländern gibt es dieses Phänomen. Deshalb spreche ich mit meinem Film alle an.
In den 90er Jahren sind Sie als Moderatorin eines TV-Magazins bekannt geworden. Damals rief die Neonaziband "White Aryan Rebels" in einem Lied mit der Textzeile "Diese Kugel ist für Dich, Mo Asumang" zum Mord an Ihnen auf. Was haben Sie damals empfunden?
Ich habe mir vor allem ausgemalt, welche Personen sich das anhören. Es war nicht so, dass ich dachte, dass der Sänger der Gruppe bei mir vor der Tür steht, sondern ich habe mir in den schillerndsten Farben ausgemalt, in welchen üblen Höhlen Rechtsextremisten mit Wuttexten aufgepeitscht werden und was diese letztlich bereit sind zu tun. Das war schon eine ganz große Sorge von mir und hat dazu geführt, dass ich versucht habe, alle Informationen über mich aus dem Internet zu entfernen, was natürlich nicht funktioniert hat. Deshalb kam es dann zur Flucht nach vorne, zu den Filmen.
In "Roots Germania" haben Sie sich mit Ihren eigenen Wurzeln beschäftigt, in Ihrem neuen Film geht es um die Frage, was es mit dem Begriff des Ariers auf sich hat. Dafür haben Sie etwa Kundgebungen der rechtsextremen Partei NPD aufgesucht, wo man entweder nicht mit Ihnen sprechen wollte oder Ihnen einen guten Rückflug nach Afrika gewünscht hat. Wie bereitet man sich auf so einen Dreh vor?
Man bespricht sich natürlich sehr gut mit dem Team, ist vorsichtig und versucht, niemanden zu provozieren. An den ersten beiden Drehtagen wurde dann aber einem Mitarbeiter die Kamera ins Gesicht geschlagen, ein anderer mit Bier übergossen. Als Konsequenz haben wir nur noch mit Kamerafrauen gearbeitet, was zum Glück sehr gut funktioniert hat. Die Provokation war so für die Neonazis weniger stark. Schwierig war aber auch die Suche nach Personen, die sich filmen und interviewen lassen. Die meisten wollten mit mir ja nicht reden, für die war meine Hautfarbe eine No-go-Area. Die positivste Erfahrung habe ich dann bei den eigentlichen Ariern gemacht, die nicht in Deutschland, sondern im Iran und teilweise in Indien leben. Sie finden, dass alle Menschen gleich sind.
Sie wirken im Film sehr ruhig. Wurden Sie nach einem Drehtag von den Diskriminierungen und Beleidigungen, die Ihnen entgegenschlugen, eingeholt?
Ja, absolut, ich musste da schon durch ziemlich viel Mist durch. Vor dem Drehtag und am Set ist das alles noch einigermaßen erträglich gewesen, aber danach hat es mich ab und an schon ziemlich heruntergerissen. Das fing schon auf der Rückfahrt im Auto an, wo ich oft kein Wort mehr sagen konnte. Es geht einfach nicht spurlos an einem vorüber. Manchmal habe ich mich selbst beobachtet und gefragt: "Mo, was ist mit Dir los?" Auf der anderen Seite: Ich wollte es ja unbedingt, wollte erreichen, dass diese Menschen ihr wahres Gesicht zeigen, und dafür musste ich bereit sein einzustecken. Und am Ende hat es sich ja auch gelohnt.
Für Ihren Film treffen sie in den USA auch Tom Metzger, einen bekannten Rechtsextremisten, der seine Hasstiraden über das Internet-Radio verbreitet. In Deutschland wollte man nicht mit Ihnen sprechen, Metzger hat sich sogar für ein ausführliches Interview zur Verfügung gestellt. Wie haben Sie erreicht, dass er sich auf eine afro-deutsche Filmemacherin einlässt?
Keiner der Protagonisten wusste im Vorfeld, dass ich die Interviewerin sein würde. Auch bei Tom Metzger haben wir nur gesagt, dass das ZDF Interesse an einem Gespräch hat. Zu sagen "Hallo, ich bin Mo Asumang, eine schwarze Deutsche und möchte mit Ihnen über Arier sprechen" hätte nicht funktioniert, das ist ja klar.
Es ist Ihnen schließlich geglückt, mit Tom Metzger zu sprechen, und er erzählt Ihnen, dass Ihr Vater "Gene-Highjacking" betrieben habe, also Ihrer Mutter weiße Gene geklaut hat, um seine eigene Rasse aufzuwerten. Wie konnten Sie das ohne Gefühlsregung ertragen?
Schon allein deshalb, weil es so aufwendig war, das Interview zu bekommen. Ich war heilfroh, als ich dann seinen Worten lauschen konnte. Tom Metzger hatte zwischendurch auch immer eine Alter-Opa-Ausstrahlung und hat seine Gemeinheiten "charmant" verpackt. Als er dann aber sagte, dass er sich zu einem einsamen Wolf entwickelt habe, der selber entscheidet, wann, wie und wo er zuschlagen wird und mir dabei tief in die Augen geschaut hat, war das schon der Moment, als es in mir aufblitzte: "Achtung, das ist kein Opi, pass auf Mo!"
Zu Tom Metzgers Charme-Offensive gehörte am Ende Ihres Interviews auch eine feste Umarmung. Haben Sie gezögert, sie zu erwidern?
Nein. Für alle Rassisten gilt, dass ich da hingehe, weil ich wirklich möchte, dass bei denen etwas aufbricht, und genau das war so ein Moment. Wobei es bei ihm generell etwas anders war, weil er zur Kategorie der Hass-Verkäufer gehört und nicht der Mitläufer. Da muss man ganz klar unterscheiden. Wenn mich ein Mitläufer umarmt und sagt: "Ich bin geheilt", ist es etwas Besonderes und ein Ziel, für das ich auch gerne Kraft gebe. Bei Hassverkäufern wie Tom Metzger ist es allerdings ein Zeichen dafür, dass sie selbst nicht daran glauben, was sie propagieren, dafür sind die viel zu schlau. Für sie ist es ein Rassismus-Business, das Sie ganz bewusst betreiben, für das sie in die Gruppe der Mitläufer ihren Rassenhass hineinpumpen und sie für die eigenen, letztlich auch finanziellen, Zwecke ausnutzen. Eine riesige Schweinerei.
Sie haben für "Die Arier" auch mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klans gesprochen - nachts und mitten im Nirgendwo. Wie war das?
Es war schon extrem. Es war dunkel und ein Auto kam angefahren, aus dem erst einmal nur jemand einen gestreckten "Heil Hitler!"-Arm herausstreckte. Als sie anhielten, habe ich dann zwei Maschinengewehre auf dem Rücksitz liegen sehen. Das war auf jeden Fall ein mulmiges Gefühl.
"Die Arier" wurde im Programm des ZDF versteckt, um 23.55 Uhr ausgestrahlt. Wäre es nicht auch für die Mitte der Gesellschaft notwendig, solche Filme zu sehen? Wie hoch schätzen Sie den latenten Rassismus der Massen ein?
Ich denke, dass es Rassismus gibt, solange es Menschen gibt, die Hass verbreiten. Wir müssen es schaffen, diesen Hassverkäufern einen Riegel vorzuschieben. Wichtig wäre aber auch, dass die Medien mit den Bildern anders umgehen. Ich finde, dass zu oft marschierende Neo-Nazis gezeigt werden, ohne das Bild im Anschluss aufzulösen.
Viel zu selten werden außerdem völlig "normale" Deutsche gezeigt, auch wenn sie optisch nicht den gängigen Vorstellungen entsprechen, wie ein Deutscher auszusehen hat. Das bisher vermittelte Medien-Bild entspricht in keiner Weise der Realität - immerhin haben etwa 20 Prozent der Deutschen einen Migrationshintergrund. Dieser Fakt wird im deutschen Fernsehen einfach nicht abgebildet, und ich nehme an, in Österreich ist es nicht anders.
Vor wenigen Tagen wurde eine Umfrage aus Österreich veröffentlicht, in der 29 Prozent der Befragten der Aussage "Man sollte einen starken Führer haben, der sich nicht um Wahlen und Parlament kümmern muss" mehr oder weniger zustimmten. Was lösen solche Zahlen bei Ihnen aus?
Das ist der absolute Wahnsinn. Ich verstehe es vor allem nicht. Österreich liegt doch heute mitten in Europa und alle möglichen Einflüsse gibt es dort. Außerdem kam Adolf Hitler aus Österreich, was man als Anlass nehmen könnte, in Europa der Vorreiter für Antirassismus-Aufklärung zu werden, oder?
Während der Dreharbeiten haben Sie herausgefunden, dass Ihre Großmutter, die Sie auch großgezogen hat, bei der SS war und sich auch später noch vor die Straßenbahn werfen wollte, als sie erfuhr, dass ihre Tochter ein Kind von einem Schwarzen erwartet. Hat sich Ihr Verhältnis dadurch posthum verändert?
Ich glaube, dass sich meine Großmutter schon in der Zeit, als ich groß wurde, verändert hatte. Dazu eine kleine Geschichte: Wir hatten in meiner Heimatstadt Kassel eine große Wohnung und meine Großmutter hat ein frei stehendes Zimmer regelmäßig an Studenten aus der Türkei oder dem Iran vermietet. Das ist doch eine 180-Grad-Wendung, oder?
Sie sind Deutsche, leben in Berlin, haben einen Vater aus Ghana. Wie würden Sie Ihre eigene Identität beschreiben?
Ich bin gerne Deutsche, vielleicht auch Afro-Deutsche. Früher wollte ich immer Kosmopolitin sein, habe dann aber festgestellt, dass ich es innerlich brauche, eine Heimat zu haben. Deutschland ist meine Großfamilie und da gehöre ich dazu.