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Was Monika Lindner als "wilde Mandatarin" im Parlament erwartet.
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Wien. Der Abgeordnete ist prinzipiell ein Herdentier. Obwohl das Nationalratsmandat ja eigentlich auf die Person des Trägers bezogen und daher frei ist, ist der einzelne Mandatar ohne seine Artgenossen ziemlich hilflos. So wird auch die ehemalige ORF-Generaldirektorin Monika Lindner, die ihren über das Team Stronach errungenen Sessel im Nationalrat als "wilde Abgeordnete" annehmen will, nicht viel ausrichten können. Denn die meisten parlamentarischen Rechte sind an einen Klubstatus gebunden.
Zum Beispiel können Anträge und Anfragen nur dann eingebracht werden, wenn sie von fünf Abgeordneten unterstützt werden. Einem "Freien" ist dies nur möglich, wenn er sich Hilfe aus anderen Klubs sucht. Auch die Mitgliedschaft in den Ausschüssen, wo der Kern der parlamentarischen Arbeit passiert, ist den Klubmitgliedern vorbehalten. Abgeordnete ohne Klubzugehörigkeit haben lediglich das Recht, im Ausschuss zuzuhören, solange die Beratungen nicht vertraulich sind. Einzig das Rederecht steht auch den "Wilden" zu - und das gleich exzessiv. Es gilt lediglich die Regel, dass ein Abgeordneter pro Tagesordnungspunkt nicht mehr als zwei Mal und nicht länger als 20 Minuten reden darf - damit kann sich jeder Mandatar ohne Klubzugehörigkeit viel öfter zu Wort melden als einer, der der klubintern vereinbarten Hackordnung unterliegt.
Diese Möglichkeit weidlich ausgenutzt hat Robert Lugar, der zwischen BZÖ und Team Stronach ein Jahr lang "freier" Abgeordneter war. "Man kann sagen, was man will, ohne dass einem ein Klub etwas vorschreibt - das hat eine fast therapeutische Wirkung." Andererseits "ist der Nachteil, dass keinen interessiert, was man sagt, da kann man sich die schönen Reden an die Wand tapezieren", gibt Lugar unumwunden zu. Und er berichtet davon, dass andere Abgeordnete über seine Auslegung des Rederechts wenig erfreut gewesen seien: "Einige Male hat man mir mit einer Änderung der Geschäftsordnung zur Beschränkung des Rederechts gedroht, wenn ich mich nicht zurückhalte."
Mobile Hinterbänkler
Lugars Kollege Erich Tadler war fast die Hälfte der vergangenen Legislaturperiode "frei". Der Salzburger kandidierte 2008 als Parteifreier auf der BZÖ-Liste, wurde 2010 aus dem Klub geworfen und schloss sich 2012 dem Team Stronach an, für das er aber jetzt nicht mehr in den Nationalrat einzieht. Er hat von seinem Rederecht eher "sparsam" Gebrauch gemacht, wie er sagt. Dafür "sind mir auch als Freier einige Dinge geglückt". So konnte er sich für einige Anträge die Unterschriften anderer Mandatare - manche von ihnen fanden sich auch später im Team Stronach wieder - zusammensuchen und Petitionen einbringen. "Man wird als Hinterbänkler immer angeschüttet, aber so schlimm war es gar nicht", meint Tadler. In seiner Zeit als "Wilder" war er sehr mobil. Denn auch die "Freien" bekommen ein Büro im Parlament, sind aber flexibler als Klubs und werden daher offenbar wenn nötig hin- und hergeschoben. Tadler war jedenfalls seit 2008 schon im Haupthaus, in der Doblhoffgasse und im Palais Epstein untergebracht.
Neben dem Raum bekommen auch "Freie" 3000 Euro im Monat, um einen Mitarbeiter anzustellen, aber keine sonstigen Förderungen. Durch den Abgang Monika Lindners schmälert sich die Klubförderung für das Team Stronach um 46.000 Euro im Jahr.
Hans-Peter Martin hat Erfahrung mit Personal-Querelen. Einst SPÖ-EU-Mandatar, sitzt er seit 2004 als Freier im EU-Parlament. Auch wenn er "aus Überzeugung unabhängig" sei, hält er Lindners Aktion für "unappetitlich", weil sie das Mandat ohne die Mühen des Wahlkampfs annimmt.
EU ist weiter entwickelt
Er selbst ist Vollmitglied in mehreren Ausschüssen und Delegationen, hat auch zahlreiche Anträge und Stellungnahmen eingebracht - einzig schriftliche Erklärungen seien für Einzelpersonen schwierig. "Bei aller Kritik - in diesem Bereich ist die Union weiter entwickelt als viele nationale Parlamente", so Martin. Das "Parteisoldaten-Denken ist überholt".
Ein "Spannungsverhältnis" zwischen dem freien Mandat und der Bevorzugung der Klubs sieht auch Geschäftsordnungs-Experte Werner Zögernitz. Allerdings: "Der Bürger wählt ja die Liste und nicht den Mandatar, er muss sich also darauf verlassen, dass die Liste eine gewisse Linie vertritt."
In Österreich sind freie Abgeordnete jedenfalls eine seltene Spezies. So gab es in den 20 Legislaturperioden seit 1945 gerade einmal 30 "Wilde" - und die sind nicht wie Lindner schon seit Beginn der Legislaturperiode "frei", sondern meist nur für kurze Zeit nach Streitereien aus einem Klub ausgetreten. Das kommt in der besten Herde vor.