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Aller guten Dinge sind vier

Von Vilja Schiretz

Politik

Das Nationale Impfgremium empfiehlt die vierte Corona-Impfung nun ab 65. Sollen sich auch Jüngere auffrischen lassen?


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Rund 96.000 Menschen in Österreich haben bereits eine vierte Corona-Impfung erhalten, der Großteil davon ist über 75 Jahre alt. Seit Donnerstag empfiehlt das Nationale Impfgremium die Auffrischung allen über 65 Jahren sowie Vulnerablen jedes Alters. Bisher galt die Empfehlung nur der Altersgruppe über 80. Doch auch jüngere Menschen können sich auf Wunsch eine vierte Impfung holen, wenn der letzte Stich bereits mehr als vier, idealerweise sechs Monate zurückliegt. Wien bittet bereits alle ab zwölf Jahren zur Auffrischung, andere Bundesländer sind zögerlicher. Fest steht allerdings, dass Österreich ein Sommer mit hohen Corona-Zahlen bevorsteht. Und auch im Herbst ist mit weiteren Wellen zu rechnen.

Wie sinnvoll ist es, den Schutz jetzt auffrischen zu lassen?

Die Entscheidung, wann der richtige Zeitpunkt für eine Auffrischungsimpfung ist, hängt von individuellen Faktoren ab. Bis rund zwei Monate nach der Impfung ist der Schutz vor einer Ansteckung am stärksten, danach lässt er bereits wieder nach. Im Gegensatz dazu bleibt der Schutz vor schwerer Erkrankung "relativ gut aufrecht", sagt Eva Schernhammer, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der MedUni Wien. Wer etwa im Sommer viel reist, könnte beispielsweise jetzt von der Auffrischung profitieren. Im Herbst, wenn man sich wieder vermehrt in Innenräumen aufhält, werde es allerdings schwieriger sein, sich selbst vor einer Infektion zu schützen, was wiederum ein Argument für eine spätere Auffrischung wäre. Für vulnerable Gruppen empfiehlt das Nationale Impfgremium die Auffrischung generell, damit auch diese weiterhin gut vor einem schweren Verlauf geschützt sind.

Wie lange sollen Genesene mit der Auffrischung warten?

Zeitlinger empfiehlt die Auffrischung sechs Monate nach dem letzten "immunologischen Ereignis", also nach einer durchgemachten Infektion ebenso wie nach der letzten Impfung.

Wie gut schützt die vierte Impfung vor Omikron?

Auch eine vierfache Impfung schützt nicht zu 100 Prozent vor einer Infektion mit der Omikron-Variante. Der Schutz vor schweren Verläufen wird allerdings durch den vierten Stich wieder verstärkt. Konkrete Zahlen gibt es laut Zeitlinger nur für die Altersgruppe der über 65-Jährigen. Hier werde der Schutz vor einer Infektion verdoppelt, vor einem schweren Verlauf verdreifacht. Für jüngere Altersgruppen vermutet Zeitlinger ähnliche Werte, allerdings seien hier schwere Verläufe generell seltener.

Wie heftig wird die Sommerwelle ausfallen?

Etwa seit Anfang Juni steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder an. Das dürfte laut Schernhammer damit zusammenhängen, wie ansteckend die aktuell kursierenden Corona-Varianten sind. Eine Ansteckung könne nun auch einfacher im Freien passieren, wo eine Infektion bisher unwahrscheinlicher war. Der Effekt, dass sich die Österreicher in den warmen Monaten vermehrt draußen aufhalten und es dadurch zu weniger Infektionen kommt, dürfte daher abgeschwächt sein. Schernhammer rechnet mit einer ähnlichen Situation wie während der Omikron-Welle im Frühjahr. Zwar geht die Epidemiologin nicht von einer Überlastung der Intensivstationen aus, dennoch könnten die Auswirkungen "spürbar" in den Spitälern werden, wenn mehr Patienten mit einer Corona-Infektion behandelt werden müssen, während Teile des Personals selbst im Krankenstand oder in Quarantäne sind.

Können die Auffrischungen die Welle noch abflachen?

"Theoretisch ja", sagt Schernhammer. Immerhin stellt sich der Effekt der Impfung rund zehn Tage nach der Verabreichung ein. Dass sich jetzt tatsächlich eine ausreichend große Zahl an Menschen auffrischen lässt, sei allerdings unwahrscheinlich.

Was ist für den Herbst zu erwarten?

Auch im Herbst wird es aller Voraussicht nach eine weitere Welle geben. Wie heftig diese ausfallen wird, hängt davon ab, wie gut die Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt durch Impfungen oder durchgemachte Infektionen geschützt ist. Welche Varianten im Herbst das Infektionsgeschehen bestimmen werden, wird sich erst zeigen. Schernhammer sieht jedoch eher einen Trend, der das Auftreten weiterer Omikron-Subtypen nahelegt.

Wird im Herbst/Winter eine fünfte Impfung nötig sein?

Zeitlinger rechnet damit, dass die vierte Impfung nicht die letzte bleiben wird. Wann genau eine erneute Auffrischung nötig wird, hängt aber vor allem davon ab, wie gut die Menschen durch bisherige Impfungen und Genesungen vor neuen Erkrankungen geschützt sind. Eine neue Variante bedeute aber nicht automatisch einen geringeren Schutz. "Es kann auch in die bessere Richtung gehen", so Zeitlinger, bereits vorhandene Impfstoffe könnten also gegen neue Mutationen wieder besser schützen, als das bei den aktuell kursierenden Omikron-Varianten der Fall ist.

Wann wird es einen Impfstoff für die neuen Varianten geben?

"Auf den angepassten Impfstoff zu warten, ist das schlechteste Argument, warum man sich jetzt nicht impfen lässt", so Zeitlinger. Auch die angepassten Vakzine schützen Studien zufolge nicht optimal vor den momentan dominanten Varianten und damit kaum besser als die aktuellen. Es lohnt sich also nicht, für einen etwas besseren Schutz länger auf die Auffrischung zu warten.

Werden Kinder auch eine vierte Impfung benötigen?

Eltern, die sich fragen, wann bei ihren Kindern der vierte Stich ansteht, "können sich noch Zeit lassen", sagt Zeitlinger. Einerseits habe man mit Impfungen bei Kindern unter zwölf Jahren später begonnen, daher sei seit der dritten Impfung meist noch wenig Zeit vergangen. Außerdem haben Kinder eine starke Immunantwort auf die Impfung und erkranken nur selten schwer am Coronavirus.

Ist die Auffrischung nur in Wien für Jüngere verfügbar?

Wien hat vergangene Woche alle Menschen ab zwölf Jahren dazu aufgerufen, sich die Auffrischung zu holen, sofern ihr Drittstich mehr als sechs Monate zurückliegt. Das Angebot einer Auffrischung gibt es in allen städtischen Impfstraßen.

In den anderen Bundesländern setzt man den Fokus derzeit noch hauptsächlich auf vulnerable Gruppen, in der Steiermark haben beispielsweise Ältere ein Erinnerungsschreiben erhalten. Doch der Empfehlung des Nationalen Impfgremiums entsprechend können sich in ganz Österreich auch junge Menschen ein viertes Mal impfen lassen, wenn der Wunsch dazu besteht. Voraussetzung ist, dass mindestens vier Monate seit der letzten Dosis vergangen sind.