Uni-Neulinge können Prüfungen nun nur noch ein- bis zweimal wiederholen.
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Wien/Linz/Innsbruck. Vanessa Döring will Englisch unterrichten, da sie selbst "eine ziemlich leiwande Englischlehrerin" hatte. Deshalb studiert sie an der Uni Wien Lehramt für Anglistik, im Zweitfach Geografie. "Das Wichtigste im Leben ist die Wahl eines Berufes", meinte der Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal, und sein Beisatz "Der Zufall entscheidet darüber" wird sich in diesem Semester für einige Studienanfänger bewahrheiten. Rasselt etwa Vanessa Döring zweimal durch die Prüfung, ist sie vom Anglistikstudium gesperrt - für immer. Damit wäre der Traum, in einer höheren Schule Englisch zu unterrichten, geplatzt - als Ausweg bliebe noch der Wechsel an eine andere Uni.
Während also Studienanfänger im ganzen Land für ihre Prüfungen strebern, lastet besonders großer Druck auf den Erstsemestrigen der Universität Wien: An jener Uni, an der zwei Drittel der österreichischen Studenten studieren, darf eine Prüfung nun nur noch einmal wiederholt werden. An den restlichen sieben Unis sind zwei Wiederholungen möglich. "Man muss extrem viel lernen, man muss es schaffen", sagt Andreas Göttlich. Der Anglistikstudent befindet sich in der seit Herbst 2011 geltenden Studieneingangsphase (Step).
Die Studieneingangs- und Orientierungsphase (siehe Wissen) wurde im März beschlossen und gilt an allen Unis, die bisher ohne Zugangsbeschränkungen auskamen. Damit umschifften Unterrichtsministerin Claudia Schmied und die damalige Wissenschaftsministerin Beatrix Karl zwar offiziell Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren, dafür sollte jedoch im ersten Semester stärker selektiert werden. Hat Step etwas bewirkt? Margret Friedrich, Vizerektorin der Uni Innsbruck und Vorsitzende des Forums Lehre in der Universitätenkonferenz (Uniko), sagt, es sei zu früh, um zu resümieren.
Ein Drittel weniger negative Prüfungen an der WU Wien
Anders an der Wirtschaftsuni (WU) Wien. Hier liegen die Prüfungsergebnisse der Eingangsphase bereits vor, und laut Rektorat ist die Anzahl der negativ abgelegten Prüfungen um ein Drittel zurückgegangen. Zudem gibt es rund 800 Studienbeginner weniger als im Vorjahr: Waren im Wintersemester 2010 noch 4153 erstsemestrige Bachelorstudenten inskribiert, sind es in diesem nur noch 3345. Das liegt an der Reduktion der möglichen Prüfungsantritte von fünf auf drei, glaubt Edith Littich, Vizerektorin für Lehre: "Wir haben jene abgeschreckt, die relativ wenig konkrete Vorstellungen hatten oder inskribiert waren, ohne Prüfungen zu machen", sagt sie.
An der WU Wien sind, wie auch an der Uni Innsbruck, weiterhin drei Antritte möglich. Schließlich wiegt das Durchfallen hier besonders schwer: Ist man von einem WU-Studium gesperrt, ist man es aufgrund der gemeinsamen Eingangsphase für alle Studienfächer an der WU. Es wurde "lange diskutiert", bevor die Wahl auf drei Antrittsmöglichkeiten fiel, berichtet Littich und argumentiert: "Wenn man von der Schule kommt und mit dem Betrieb einer großen Uni wie der WU nicht vertraut ist, erschienen zwei Antritte relativ hart."
An der größten Uni des Landes, der Uni Wien, teilt man diese Bedenken nicht. Hier hat sich das Rektorat entschlossen, nur zwei Prüfungsantritte zu erlauben. "Bei der Entscheidung für die Anzahl der Antritte hat sich die Universität am Vorschlag des Gesetzgebers orientiert", heißt es aus dem Rektorat. Damit zog es sich die Empörung der Studienvertretung auf sich, die nun - gemeinsam mit den Lehrenden - eine Reform der Studieneingangsphase fordert.
Dazu laufen derzeit Verhandlungen im Senat, wo Flora Eder von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) als Kuriensprecherin mitverhandelt. Sie erklärt: "Es gibt eine gewisse Gesprächsbasis", doch für das jetzige Wintersemester seien "alle Türen zugeknallt" worden. Nun ist eine Evaluierung der Step vorgesehen, und das Rektorat sagt, es könne noch keine Zwischenbilanz gezogen werden, da die ersten Prüfungsrunden noch laufen. Bis April soll ein vom Senat beantragter Bericht der Auswirkungen der Step vorliegen - "weitere Gespräche sind vereinbart", so die Pressesprecherin des Rektorats der Uni Wien zur "Wiener Zeitung".
An der Uni Linz hingen will man die Studieneingangsphase "genauso beibehalten", sagt Herbert Kalb, Vizerektor für Lehre, der mit seiner Bilanz noch warten will, bis alle Ergebnisse vorliegen. Und auch die ÖH Linz gibt sich erstaunlich besonnen: Denn anders als an der Uni Wien gibt es nicht zwei bis vier fixe Vorlesungen, die man bestehen muss. Stattdessen kann man aus einem Pool aus - je nach Studium - sechs bis zehn Eintrittsvorlesungen auswählen. Die restlichen Prüfungen können auch nach der kritischen Eingangsphase gemacht werden, in der eben nur zwei Antritte möglich sind. "Man sollte nicht versuchen, auf Biegen und Brechen diese eine Vorlesung zu machen. Wenn man etwa Betriebswirtschaftslehre nicht schafft, sollte man das zurückstellen und erst nach der Studieneingangsphase machen", rät Hannes Halak vom Vorsitzteam der Uni Linz.
Die Erfahrungen der Studierenden mit der Step sind höchst unterschiedlich: Philipp Tettauer studiert an der Uni Wien Politikwissenschaft und Soziologie. Seine erste Soziologieprüfung hat er bereits hinter sich, diese habe "aus relativ humanen Fragen" bestanden, die Vorbereitung darauf empfand er als "sehr gut". Auch Germanistikstudentin Teresa Kristall hat die gefürchtete erste Prüfung bereits hinter sich, doch sie glaubt "eher nicht", diese bestanden zu haben. Sie kritisiert die Prüfungsmodalitäten: Es wurden zwei Vorlesungen in einem Test abgeprüft, der Stoff sei in acht anstatt zwölf Vorlesungen durchgenommen worden, und die Vorbereitung empfand sie als nicht ausreichend: "Wir haben nicht gewusst, wie gefragt wird." Ihr liegen Verständnisfragen eher als Multiple-Choice-Fragen: Bei den Geburtsorten von Autoren kommt man schon einmal durcheinander. Sie hätte sich Prüfungssimulationen gewünscht, wie sie etwa die Politikwissenschaft anbietet.
"Für eine Prüfung lernt man mehr als für die Matura"
"Wir kommen von der Schule und sind nicht darauf eingestellt, zehnmal mehr zu lernen als für die Matura", sagt Kristall. "Die Studenten waren extrem nervös. Sie befürchten, die Studienbeihilfe für ein Semester zurückzahlen zu müssen, wenn sie es nicht schaffen."
Doch nicht alle Studierenden wollen die Reform der Step: Anglistikstudentin Ulrike Rossrucker fühlt sich zwar durch die Studieneingangsphase unter Druck gesetzt, sagt aber: "Ich muss mir ein bisschen Druck machen." In den ersten Semestern werde eben "extrem ausgesiebt", deshalb besucht sie regelmäßig von älteren Studierenden abgehaltene Tutorien und hält sich an das Mantra einer Studienkollegin: "Für die Eingangsphase kann man gar nicht genug lernen."
Die Studieneingangs- und -orientierungsphase (Steop) gilt seit Herbst an jenen elf Unis, die keine generellen Zugangsbeschränkungen haben. Diese enthält die verpflichtende Voranmeldung und Studienwahlberatung. In dieser ersten Phase des Studiums dürfen Studienanfänger zudem eine Prüfung nur einmal wiederholen (bisher dreimal), die Unis können autonom eine weitere Wiederholung erlauben (bisher unbeschränkt viele). Neun der elf Unis, die bisher ohne Zugangsregeln auskamen, lassen nun zwei Prüfungswiederholungen zu, die Uni Wien und die Uni Linz nur eine. An der Uni Wien ist außerdem das Ausmaß an Prüfungen höher als an anderen Unis.
Diese Studieneingangsphase (Step) muss positiv absolviert werden, um weiter studieren zu dürfen. Unterrichtsministerin Claudia Schmied pocht weiterhin auf die verpflichtende Studienberatung. Demnach sollen nur jene ein Studium beginnen dürfen, die Studienberatung in Anspruch genommen und ein Motivationsschreiben verfasst haben.
Zuvor hatten sich Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, Universitätenkonferenz (Uniko) und Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) darauf geeinigt, von der Verpflichtung abzusehen. Auch die verpflichtende Voranmeldung, die das Ziel der höheren Planbarkeit der Zahl der Studierenden verfehlt hat, wurde abgeschafft.