Zum Hauptinhalt springen

Allerwelts-Debatte

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die von der FPÖ einberufene Sondersitzung im Nationalrat gab es, weil am Sonntag in Wien eine Wahl stattfindet und weil der ORF praktischerweise Sondersitzungen im Fernsehen überträgt. Das offizielle Thema der Sitzung des Parlaments, die Verwaltungsreform, blieb der Aufhänger. Es ging um alles mögliche, vor allem um Wien, vorgetragen von vor allem Wiener Abgeordneten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Vorgangsweise ist nicht neu, es passiert schon lange. Es wird aber immer penetranter, und damit auch unerträglicher. Die im Parlament vertretenen Parteien sollten ihr demokratisches Grundverständnis überdenken. Denn der Nationalrat ist nicht dazu da, um wahlwerbenden Politikern einen Gratis-Auftritt im Fernsehen zu verschaffen, sondern um - möglichst kluge - Gesetze zu verabschieden. Das Parlament ist auch dazu da, um eine Kontrolle über die Regierung auszuüben und manches Ansinnen der Minister in geordnete Bahnen zu lenken.

Nichts davon war bei der Sondersitzung zu bemerken. Der Nationalrat hat sich damit keinen guten Dienst erwiesen, es werden sich bloß ein paar mehr Leute gedacht haben: "Was machen die da eigentlich um mein Geld?"

Es ist ein gutes Recht der Oppositionsparteien, unabhängig von ihrer Stärke, Sondersitzungen einberufen zu können. Es ist demokratisch klug, weil sich so auch Minderheiten in der Volksvertretung deutlich artikulieren können. Aber es muss dabei die demokratische Legitimation im Vordergrund stehen. Wenn Verwaltungsreform draufsteht, soll auch Verwaltungsreform drinnen sein.

Da es aber ausschließlich um die Wahl in Wien am Sonntag gegangen ist, wäre es logischer gewesen, eine Sondersitzung des Wiener Landtag zu veranstalten. Ob das Fernsehen das auch übertragen hätte, ist fraglich und hätte wohl erheblicher Debatten mit dem ORF bedurft.

So ging die Politik den Weg des geringsten Widerstandes und machte sich keine großen Sorgen um demokratiepolitische Fragen. Da dieselbe Politik (auch von der Opposition) aber den Bürgern ständig ein Mehr an Eigenverantwortung nahelegt, kann ein gutes Beispiel erwartet werden. Dieses gute Beispiel wurde (auch) bei dieser Sondersitzung schmerzlich vermisst.