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Alles andere als eine "Blaue Welle"

Von Alexander Dworzak

Politik

Das hohe Ziel der Demokraten, Weißes Haus, Senat und Repräsentantenhaus zu kontrollieren, ist in weite Ferne gerückt.


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Es war das Wunschszenario der Demokraten: Das Weiße Haus erobern, das Repräsentantenhaus halten und in der zweiten Kammer des Kongresses, dem Senat, die Mehrheit von den Republikanern erobern. Eine "Blaue Welle" nach der Parteifarbe der Demokraten, sollte sie an die Spitze spülen. Doch sie verebbt zusehends.

Sechs Battleground States haben die Wahlforscher im Vorfeld ausgemacht. Im Gegensatz zu republikanischen Hochburgen wie Oklahoma und West Virginia sowie den demokratischen Bastionen an der West- und Ostküste stand hier nicht im Vorhinein fest, ob Donald Trump oder Joe Biden die Mehrheit erobert - Siege, die entscheidend sind, um die notwendige Hürde von 270 der 538 Wahlmänner zu überspringen. Alle Augen waren daher auf Arizona (11 Wahlmänner), Florida (29), Michigan (16), North Carolina (15), Pennsylvania (20) und Wisconsin (10) gerichtet. Sämtliche dieser Bundesstaaten entschied Trump 2016 für sich.

Auch diesmal gewann Trump im Battleground State mit den meisten Wahlmännerstimmen, Florida, und zwar deutlich mit fast dreieinhalb Prozentpunkten Vorsprung. Für Joe Biden war der Sieg im "Sunshine State" kein Muss, sofern er den Industriegürtel des Rust Belt zurückerobert. Jedoch gilt: Bis auf eine einzige Wahl seit 1964 war der Sieger in Florida gleichlautend mit dem Gewinner auf nationaler Ebene. Auch North Carolina geht wieder mit großer Wahrscheinlichkeit an Trump.

In Michigan und Pennsylvania muss Biden hoffen, dass er nach Auszählung aller Briefwahlstimmen doch noch vor dem Amtsinhaber landet. Fast drei Millionen Stimmen müssen in Pennsylvania noch ausgezählt werden, mehr als ein Drittel aller Stimmzettel. Dabei ist zwar mit überproportional viel Zuspruch für Biden zu rechnen, doch er liegt mehr als 675.000 Stimmen hinter Trump.

Texanische Enttäuschung für die Demokraten

Lediglich in Arizona steuern die Demokraten auf einen sicheren Sieg zu - ein Erfolg, der womöglich entscheidend für den Gewinn der Präsidentschaft werden könnte. Dort gewannen sie zuletzt im Jahr 1996. Vor vier Jahren unterlag die demokratische Kandidatin Hillary Clinton besonders klar und erhielt nur knapp 45 Prozent. Diesmal liegt Joe Biden nach Auszählung von mehr als 80 Prozent der Wählerstimmen bei 51 Prozent. Im Laufe der Wahlnacht drehte auch Wisconsin zugunsten der Demokraten.

Unter den Erwartungen der Demokraten verlief neben den Battleground States auch die Wahl in Texas. Zwar rechnete die Partei nie mit einem Sieg in der traditionellen republikanischen Hochburg - deren Resultate aber seit einigen Jahren nicht mehr so eindeutig ausfallen. Zuzug aus demokratisch regierten Bundesstaaten, Verstädterung, Unzufriedenheit in den Vorstädten mit Trumps Brachialrhetorik und die wachsende Zahl von eher demokratisch gesinnten Latinos ließen die Demokraten bei den Midterm Elections 2018 bis auf drei Prozentpunkte an die Republikaner herankommen. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl sahen die Umfragen Joe Biden nur um zwei Prozentpunkte hinter Trump.

Doch nach Auszählung am Mittwoch stand fest, dass der Amtsinhaber dreimal so weit vorne lag wie vorab prognostiziert. Das Minus von sechs Prozentpunkten ist zwar um drei Prozentpunkte besser als unter Hillary Clinton 2016, jedoch nur ein ganz schwacher Trost für die Demokraten. Ähnliches gilt für Georgia, wo der Rückstand noch immer knapp zwei Prozentpunkte betrug.

Eine unangenehme Überraschung hatten auch die Wähler in Nevada für die Demokraten parat. Im Bundesstaat - Heimat der Casino-Metropole Las Vegas - lag Clinton vor vier Jahren zweieinhalb Prozentpunkte vor Trump. Bei Auszählung von 86 Prozent des diesjährigen Wahlgangs hat Biden nur 0,6 Prozentpunkte Vorsprung. In Nevada sind zwar nur sechs Wahlmänner zu vergeben - die aber notwendig wären, sollte Biden sonst lediglich in Michigan und Wisconsin gewinnen.

Auch auf Kongressebene haben sich die Gewichte in Nevada nicht verschoben. Der bereits fünf Amtszeiten dienende Republikaner Mark Amodei verteidigte seinen Sitz im Senat. Um 34 weitere der 100 Senatssitze wurde gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl gekämpft. Die Demokraten wollten dabei ihren Rückstand von 47 zu 53 in eine Mehrheit drehen. Kein leichtes Unterfangen, denn von den zur Wahl stehenden Senatoren gehörten 25 den Republikanern an, die zu einem Gutteil fest im Sattel saßen. Noch dazu war bereits im Vorfeld klar, dass Alabamas demokratischer Senator Doug Jones seinen Sitz an den Ex-Football-Coach Tommy Tuberville verlieren wird.

In John McCains Heimat gehen die Republikaner unter

So lag es wieder an Arizona, für positive Nachrichten für die Demokraten zu sorgen. Und tatsächlich lag Mark Kelly nach Auszählung von über 80 Prozent der Stimmen knapp sieben Prozentpunkte vor der republikanischen Amtsinhaberin Martha McSally. Kelly verfügt über eine beeindruckende Vita, er war zwischen 2001 und 2011 Mitglied mehrerer Nasa-Weltraummissionen. Und er ist Ehemann der ehemaligen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords. Sie vertrat einen Wahlbezirk von Arizona im US-Repräsentantenhaus und überlebte 2011 ein Schusswaffenattentat, bei dem sechs Personen starben. Es ist wohl kein Zufall, dass die Demokraten ausgerechnet in Arizona stark sind. Denn hier hatte der 2018 verstorbene Senator John McCain seine politische Heimat - ein Republikaner alten Schlages und Erzfeind von Trump.

So gut wie sicher ist den Demokraten auch ein Senatssitz in Colorado, wo John Hickenlooper gegen Amtsinhaber Cory Gardner praktisch uneinholbar vorne liegt. Ihre Hoffnungen in Iowa, Montana und South Carolina müssen die Demokraten aber fallenlassen. Somit steht es derzeit 47 zu 47 in der Kammer. Sechs Resultate sind noch ausständig, und hier droht den Demokraten eine böse Überraschung: Michigans Senator Gary Peters liegt nach Auszählung von fast 90 Prozent der Stimmen knapp hinten. Selbst wenn sich das Endergebnis noch dreht, die Wende im Senat ist weit entfernt.

Das Repräsentantenhaus galt es für die Demokraten nach dem Erdrutschsieg 2018 zu halten. Es scheint zu gelingen, auch wenn nach Auszählung von 377 der 435 Sitze fünf Mandate zu den Republikanern wandern. Mit gewaltigem Vorsprung wird wieder Alexandria Ocasio-Cortez einziehen. Die Demokratin kratzt in ihrem New Yorker Wahlkreis an der 70-Prozent-Marke. Die Parteilinke wird sich und ihre Agenda also weiter vorantreiben. Und die Diskussion um den Kurs der Partei ist nach dem schwachen Abschneiden des Mitte-Manns Biden ohnehin eröffnet.