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Alles bleibt anders in Kairo

Von Jonathan Wright

Politik

Erstmals mehrere Kandidaten bei der Präsidentenwahl. | Wiederwahl von Hosni Mubarak | Kairo. (reu) Ägypten steht vor einer Premiere: Bei der Präsidentenwahl am morgigen Mittwoch können die rund 32 Millionen eingetragenen Wähler erstmals zwischen mehreren Kandidaten entscheiden. Doch trotz der für ihn neuen Konkurrenz wird sich Präsident Hosni Mubarak wohl mit großer Mehrheit eine fünfte Amtsperiode sichern und damit weitere sechs Jahre an der Spitze Ägyptens stehen. Das durchgesetzte Wahlsystem hat zwar das bisherige Referendum über nur einen vom Parlament bestimmten Präsidentschafts-Kandidaten abgeschafft. Doch es hat auch dafür gesorgt, dass unter den neun weiteren Kandidaten nur zwei sind, die im Land einigermaßen bekannt sind und auf Wählerstimmen hoffen können.


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Die Diskussionen über das neue Wahlsystem und die Tatsache, dass der Präsident sich in die Niederungen des Wahlkampfes begeben hat, haben zu einer leichten innenpolitischen Öffnung Ägyptens geführt. Menschenrechtlern, Verfechtern einer echten Demokratie und nicht zuletzt den USA gehen die Veränderungen noch nicht weit genug.

Alleinregent Mubarak

Der heute 77-jährige Mubarak regiert das Land seit 24 Jahren nahezu im Alleingang und führt damit das Erbe seiner Vorgänger wie Anwar al-Sadat fort, dem Land vor allem durch eine autoritäre Führung Stabilität zu geben. Nach Sadats unpopulärem Friedensschluss mit Israel hat Mubarak Ägypten wieder ins Zentrum der regionalen Politik geführt und den arabischen Nachbarn angenähert. Doch nun wendet sich Mubarak Israel wieder zu und will das Land erstmals seit zehn Jahren besuchen. Der israelische Rundfunk berichtete am Montag unter Berufung auf Außenminister Silvan Shalom, der ägyptische Präsident werde sich in drei Monaten mit Premier Ariel Sharon treffen.

Die (finanzkräftige) Freundschaft der USA hat Mubarak Ägypten unter anderem dank seines konsequenten Kampfes gegen Moslem-Extremisten erhalten. Der größten oppositionellen Gruppe, der dem Islam verpflichteten Moslembrüderschaft, war es unmöglich, für die Wahl einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Ohne die Moslembrüder bilden nun die Kandidaten Noman Gomaa und Ayman Nour eine Alternative zu Mubarak, die mehr politische Freiheiten und eine Öffnung der stark regulierten Wirtschaft fordern. Der 71-jährige Gomaa tritt für die Partei Wafd ("Delegation") an, die die Geschicke des Landes vor dem Aufstieg des sozialistischen Gamal Abd al-Nasser in den fünfziger Jahren bestimmt hat. Gomaa will einerseits das Parlament stärken und andererseits den Einfluss des Präsidenten schwächen.

Der 40-jährige Nour ist mit seiner Partei Ghad ("Morgen") der politische Senkrechtstarter des Landes. Er beschreibt sich selbst als ein Mann des Volkes, vertritt im Parlament einen der ärmsten Wahlkreise Kairos und bringt, wie viele Experten sagen, mit seinem Charisma frischen Wind ins Land.

Zwei Gegenkandidaten dürften die Ägypter aber nicht aus ihrer politischen Apathie wecken, zumal viele der 72 Millionen Bürger ihre Eintragung in die Wählerverzeichnisse versäumt haben. Auch hat Mubaraks Apparat Bürgerrechtlern zufolge bisher immer Einfluss auf die Wahlergebnisse genommen. Die neue Konkurrenz hat den Präsidenten aber gezwungen, sich den Menschen direkt zuzuwenden und einen entschlossenen Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit zu versprechen. "Jetzt hat man wirklich das Gefühl, dass er mit einem redet", sagt der Arbeiter Salah Abdel Monem. "Die Atmosphäre hat sich verändert."

Eckdaten zur Präsidenten-Wahl in Ägypten