Die Europäische Union geht derzeit durch ein Wechselbad der Gefühle: Noch himmelhochjauchzend angesichts der erfolgreichen Erweiterung beim Dezember-Gipfel in Kopenhagen, erscheint sie nun zu Tode betrübt in Anbetracht des tiefen Grabens, der Europa in der Irak-Krise trennt. Anlässlich einer Podiumsdiskussion des Mind Mapping Table im Management Club zum Thema Europa versuchten EU-Parlamentarier Paul Rübig und Marc Fähndrich von der Kommissions-Vertretung in Wien den Spagat zwischen beiden Gefühlslagen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Man könne nun einmal nicht alles gleichzeitig erreichen, gibt sich Fähndrich keinen Illusionen angesichts des gegenwärtigen Erscheinungsbild der EU in der Irak-Krise hin. Das Ziel einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik (GASP) könne nicht über Nacht entstehen, sondern müsse als langfristiges Projekt akzeptiert werden. "Ich bin sicher, in 10, 15 Jahren sind wir hier schon sehr viel weiter", plädiert Fähndrich bei der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend für mehr Geduld.
Für den EVP-Abgeordneten und Präsident des Europäischen Wirtschaftsbunds (SME-Union) Paul Rübig ist dieser Konflikt Folge der "völlig unterschiedlichen historischen Erfahrungen der europäischen Staaten mit Krieg". In der gegenwärtigen Krise zeigt sich für Fähndrich besonders deutlich, dass die USA der EU im politischen Entscheidungsprozess haushoch überlegen sei. Verantwortlich dafür sehen sowohl Fähndrich als auch Rübig das gegenwärtige institutionelle Ungleichgewicht zwischen Rat, Kommission und Parlament, das dem Rat als jenem Gremium, in dem die nationalen Regierungen das Sagen habe, überdimensionale Machtbefugnisse gibt. Mehr Effizienz für den politischen Entscheidungsprozess versprechen sich beide von einer Stärkung von Parlament und Kommission. Vor allem das Parlament benötige, argumentiert Rübig, für seine eigene politische Entfaltung eine starke Kommission, was jedoch den Interessen des Rates zuwider laufe.
Fähndrich plädiert darüber hinaus für die Beibehaltung des halbjährlich wechselnden Ratsvorsitz, doch sollte dieser mehr und mehr eine Moderatorenrolle übernehmen. Ausdrücklich warnt er vor der Etablierung einer deutsch-französischen Doppelspitze.