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Alles grün oder was?

Von Kurt Geisler

Reflexionen
"Grüne" Mode von Kuyichi vermittelt mehr als ein angenehmes Tragefühl...
© fotolia.de

Die Klimadebatten haben den Trend verstärkt: Öko ist chic. Lebensmittel oder Naturkosmetik schwimmen schon länger auf der Bio-Welle. Nun schwappt ein Umdenken auch auf andere Gebiete über, etwa auf die Mode.


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Der grüne Lifestyle ist im Kommen. Wieder einmal gibt Amerika den Anstoß zu einer neuen, revolutionären Konsumhaltung. Erfreulich ist, dass die Bewegung verbunden ist mit einem substanziellen Wertewandel. Besonders aktiv sind hier die sogenannten LOHAS: Lifestyle of Health and Sustainability. Sie behaupten: "Die postmoderne Ära der Inhaltslosigkeit und Massenmedien wird abgelöst durch das Bedürfnis nach Gesundheit, Nachhaltigkeit und der Sehnsucht nach verlässlichen Werten". Mit anderen Worten: Es geht nicht um Produkte allein, die ethisch korrekt und nachhaltig produziert wurden, sondern um ein neues Bewusstsein im Verbraucherverhalten. Mehr noch: Irgendwie scheinen die Bürger sich wieder "alter" Werte zu besinnen, die da lauten fair, ehrlich, wertbeständig und umweltfreundlich.

Oft beklagt: Verlust der Werte. Klingt gut. Denn Oberflächlichkeit sowie Verachtung von Werten und Menschen kennzeichnen schon seit längerem unsere Gesellschaft und ärgern viele Zeitgenossen. Der schnelle Schein (Doppelsinn), der schnelle Klick und der schnelle Kick, Promis, Promis, Partys, Partys, Castings und sogenannte Supermodels ("Mein Traum ist es, einmal Model zu werden"), die "Honorierung" von Fußballspielern, Popstars und Models - da kann der hart arbeitende Durchschnittsbürger nur verbittert schweigen. Inhalte, Botschaften und echte, wahre Leistungen sind längst verdrängt. Nicht der Werte Schaffende wird anerkannt und belohnt, sondern derjenige, der möglichst laut genug schreit und mit schrägen Einfällen auf sich aufmerksam macht; sonst wird er übersehen und bleibt erfolglos. Alles PR? Nicht Inhalt, sondern "Verkauf" zählt. Ist die Gesellschaft krank? Und nun ein Umdenken. Der normale Bürger scheint sich zu wehren. Von wem die Anstöße ausgehen, ist da sekundär, begrüßenswert aber allemal. Man muss ja kein Grüner sein, um grün zu sein.

Bio-Kost: gesünder, aber teurer. Die Bio- und Ökomärkte boomen, nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Das hängt mit den Meldungen über Missstände bei Nahrungsmitteln zusammen, aber auch mit Erfahrungen bei Textilien. Dürfen diese selbst nach mehrfachem Waschen immer noch nach Chemie riechen? Der Konsument kauft bewusster. Seine Fürsorgepflicht gegenüber Familienmitgliedern, besonders Kleinkindern, lassen ihn darauf achten, dass Textilien chemisch unbehandelt sind. Das gilt ebenso für Kosmetika. Der Gesundheitsfaktor fordert eine naturnahe Körper- und Gesundheitspflege auf Basis von Algen und pflanzlichen Fetten und Ölen.

Sicherlich tut der ökologische Anbau der Umwelt gut. Ein Bio-Bauernhof ist ein ganzheitliches System aus Boden, Pflanzen, Tieren und Menschen. Ziel: möglichst wenige Nährstoffe von außen zuzuführen, aber ohne dass die Böden ausgelaugt werden. Bio-Landwirte benutzen keinen Kunstdünger, also keine chemisch- synthetischen Stickstoff-Verbindungen. Die Ausscheidungen der Tiere (Mist, Gülle) sowie pflanzlicher Kompost vom Hof dienen als Ackerdünger. Pflanzenkrankheiten und Schädlinge dürfen nicht mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln bekämpft werden. Jungpflanzen müssen ökologisch gezogen sein. Gentechnisch verändertes Saatgut oder Jungpflanzen sind verboten.

Eine Reihe von Pestiziden ist von der EU als möglicherweise oder wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Wissenschafter haben zudem nachgewiesen, dass Pestizide das zentrale Nervensystem schädigen, das Erbgut verändern und wie Hormone wirken können. Ökologisch angebautes Obst und Gemüse enthält dagegen so gut wie keine Pflanzenschutzmittel. Bio-Kost, so wird behauptet, ist Gesundheitskost. Dazu zählen in erster Linie grünes Gemüse und Obst: Brokkoli, Äpfel, Kiwi, Lauch, aber auch Karotten, Orangen und Pilze.

Öko-Schick: fashionable Qualität. Auch die Mode ist von einem neuen Bewusstsein erfasst. Öko-Schick ist ein Schlagwort. Ähnlich wie bei Nahrungsmitteln achtet der Verbraucher zunehmend auf die Herkunft der Textilien. Wichtigstes Argument: eine pestizidfreie Baumwolle. Der Anbau von Bio-Cotton hat sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Grund: eine immer größere Nachfrage von Firmen aus der Textilbranche. Unternehmen wie Nike, Marks & Spencer, Falke, Mustang, GAS, Timberland, H&M oder Wal-Mart bieten Produkte aus Biobaumwolle an. Nike will bis 2009 bereits 50 Prozent seiner Baumwolle aus biologischem Anbau beziehen, bis 2011 sogar 100 Prozent.

Gutes Gewissen beim Einkauf ist dem heutigen Konsumenten wichtig. Wenn ein Artikel umweltschonend hergestellt wurde, ist das Tragegefühl doppelt gut. Auch billige Wegwerfware ist in diesem Zusammenhang "schädlich". Nachhaltigkeit ist angesagt. Und: Das Teil muss auch dem Modetrend entsprechen, sonst hat es nur wenig Chancen. Wenn schon an der Mülltonne der Abfall getrennt wird, dürfte eine umsichtige Auswahl von Bekleidungsprodukten bereits beim Kauf nur logisch sein. Aber wo?

Fairer Handel mit Zertifikat. Bei einem Shop, der "Fair Trade" betreibt. Fairer Handel bedeutet eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Respekt und Transparenz basiert und mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel einfordert. Wem dieser Gesichtspunkt wichtig ist, sollte auf Lebensmittel und Textilien achten, die die Bezeichnung "aus fairem Handel" tragen. Dieser unterstützt Produzenten in den Entwicklungsländern, um ihnen eine menschenwürdige Existenz zu ermöglichen. Zum Beispiel decken die festgelegten Mindestpreise und Aufschläge die Produktionskosten und sichern so das Existenzminimum für die Einheimischen. Das am weitesten verbreitete Siegel ist das internationale TransFair-Siegel.

Bio-Supermarkt mit komplettem Angebot. Bio-Läden existieren überall, inzwischen auch solche für Bio-Mode. In Nürnbergs Innenstadt verkauft das Bekleidungsgeschäft "glore" Kleider, die ausnahmslos aus fairem Handel und ökologischem Baumwollanbau stammen, für Damen, Herren, Kleinkinder und Babys (Bio-Windeln). In Bremen gibt es ein ähnliches Geschäft namens "Fair tragen". In Österreich ist Stefan Maran seit 1998 mit vier Öko-Stores an Deck, 20 weitere sind geplant.

Das wohl bemerkenswerteste Projekt wird in 2008 in Mannheim gestartet. Dort soll auf 4000 m² ein Bio-Center entstehen, das alle relevanten Bereiche einbezieht. Reformhausbetreiber Bernd Alt: "Als erstes Unternehmen in Deutschland bieten wir ein gesamtheitliches Angebot im Stile einer Bio-Center-Kette an". Das Konzept basiert auf vier Säulen: 1. Bio-Supermarkt, 2. Vollwert- oder Bio-Gastronomie, 3. trendige Naturtextilien sowie 4. Ökodienstleister wie Alternativstrom-Anbieter, Wellness-Reisebüros, Öko-Bau, Öko-Bank, sogar ein Bio-Friseur, der nur mit "sauberen" Produkten arbeitet - ein Branchenmix ökologischer und nachhaltiger Anbieter und Dienstleister. Nur Einzelhandel mit Zertifikat wird zugelassen. Alt glaubt, dass der Verbraucher heute genügend sensibilisiert ist und in erster Linie Qualität kaufen will. "Wir investieren in Zukunft", meint der Reformfachmann, der große Umbrüche im Handel erwartet. Er plant für die nächsten fünf Jahre weitere derartige Center, Heidelberg, Köln und auch Wien sind im Visier.

Sicherlich sind einige Probleme ungeklärt, wie der Widerspruch zwischen Modewechsel und Nachhaltigkeit. Auch sind die teureren Produkte gegenüber herkömmlichen auch dem gutwilligen Konsumenten nicht ohne weiteres vermittelbar. Ob die Hersteller von Bio-Produkten (Öko ist eher ein politisches Wort) wirklich Ethik und Mode miteinander versöhnen wollen oder auf einen fahrenden Zug springen, sprich Ökologie und Ökonomie miteinander verbinden - was tut´s?

Immerhin haben sich amerikanische Celebrities der Konsum-Ethik angenommen und das Bewusstsein verstärkt. Die Debatte ist eröffnet. Es wird wohl nie mehr so sein wie zuvor! BSE im Anzug? Nein, danke.