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Alles hängt an Griechenland

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Kommissar Rehn: Erfolgreiche Rettung ist für Aufschwung entscheidend. | Alle Euroländer verstoßen massiv gegen Stabilitätspakt. | Kreditversicherer: Krise "global vorbei". | Brüssel. Die Konjunkturerholung in Europa wird laut der jüngsten Prognose der EU-Kommission deutlicher ausfallen, als noch vor einem halben Jahr angenommen: Die Brüsseler Auguren rechnen heuer mit einem Wachstum von einem Prozent, im Herbst waren sie noch von 0,7 Prozent ausgegangen.


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Österreich liegt mit 1,3 statt 1,1 Prozent über dem Durchschnitt. Doch für ein Gelingen des Aufschwungs müsse die Eurozone ihre Krise meistern, sagte Wirtschaftskommissar Olli Rehn am Mittwoch: "Es ist unbedingt notwendig, das Buschfeuer in Griechenland zu begrenzen, um einen Waldbrand in der EU zu verhindern."

Das Hilfsprogramm für die Griechen über 110 Milliarden Euro sollte dafür ausreichen, meinte er. Das Land habe die nächsten zwei bis drei Jahre Zeit, seine öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen. Zudem sei Griechenland ein Einzelfall, betonte der Finne. Das eventuell auch Spanien und Portugal Hilfe brauchen könnten, sei falsch und "eine völlig unnötige Spekulation."

Wenig Hoffnung für Budget-Konsolidierung

Wenig Hoffnungen machte er für eine baldige Konsolidierung der Haushalte: Die Defizite hätten sich seit Beginn der Krise verdreifacht und sollen heuer im EU-Schnitt gut sieben Prozent betragen. Zwar wird für 2011 ein Absinken um mehr als einen halben Prozentpunkt erwartet.

Doch in beiden Jahren werden bloß die Nicht-Euroländer Bulgarien, Estland und Schweden innerhalb der vom Stabilitätspakt vorgeschriebene Grenze von drei Prozent bilanzieren; die Schuldenlast der EU-Länder schnellt weiter in die Höhe. Schon 2010 liegen die Mitgliedstaaten im Schnitt fast 20 Prozent über dem Referenzwert des Pakts von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, die Eurozone steht noch um rund fünf Prozentpunkte schlechter da.

Bei allen EU-Staaten ist die Tendenz stark steigend. Rekordhalter sind Griechenland mit 124,9 Prozent für 2010, Italien mit 118,2 Prozent und Belgien mit 99 Prozent. Musterschüler ist übrigens Estland mit einer Staatsschuld von 9,6 Prozent seines BIP. Schon nächste Woche könnte Rehn grünes Licht für den Beitritt der Esten zur Eurozone per Anfang 2011 geben.

Doch vorrangig gilt es, zumindest die jährliche Neuverschuldung einzudämmen. Das jüngste Sparprogramm der Griechen vom Wochenende ist in der Prognose noch nicht berücksichtigt worden. Griechenland muss sein horrendes Defizit von 13,6 Prozent der Wirtschaftsleistung heuer um nicht weniger als 6,5 Prozent drücken.

Irland soll sein Haushaltsminus von 14,3 Prozent heuer auf 11,7 senken, Spanien von 11,2 auf knapp unter zehn Prozent.

Britische Regierung muss rasch sanieren

Für die neue britische Regierung nach den Wahlen heute, Donnerstag, habe ein detaillierter und harter Konsolidierungsplan die oberste Priorität, so Rehn. Mit zwölf Prozent Bugdetdefizit wäre das Land nach derzeitigen Zahlen zu Jahresende das Schlusslicht aller EU-Staaten.

Österreich steht dagegen mit erwarteten 4,7 Prozent für heuer noch vergleichsweise gut da. Wie 2011 aber auf 4,6 Prozent gesenkt werden soll, kann die Kommission aufgrund fehlender Informationen aus Wien noch nicht nachvollziehen.

Coface: Risikopotenzial auch noch am Baltikum

Der Kreditversicherer Coface sieht die Wirtschaftskrise "global betrachtet" für beendet und hebt die Prognose für das Weltwirtschaftswachstum für 2010 auf 3 Prozent an. Während die Wirtschaftsleistung in Kanada, Australien und Neuseeland bereits wieder auf Vorkrisenniveau liege, und in den USA auch schon wieder angesprungen sei, stottere der europäische Wirtschaftsmotor noch, so der französische Kreditversicherer. Positive Tendenzen werden in Österreich geortet. Neue Gefahren könnten sich durch wieder entstehende Spekulationsblasen ergeben.

Die Krise sei noch nicht in allen Ländern vorbei, so Martina Dobringer, Generaldirektorin Coface Austria & Coface Central Europe. Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und das Baltikum etwa seien nach wie vor betroffen und würden ein beträchtliches Risikopotential bergen.

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