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Alles ist gut?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Die Medien seien mitschuld am schlechten Image der Politik, sagen Medienwissenschafter, Meinungsforscher und natürlich Politiker. Das ist zu früh gedacht. Die Politik hat ein schlechtes Image, weil auch gut meinende Funktionäre - kaum gewählt - der Ansicht sind, die vielen Aufgaben und Herausforderungen an sie seien als Geheimwissen zu betrachten. Transparenz ist ein Fremdwort. Hannes Androsch hat - vor vielen Jahren - Österreich als Elite-Demokratie definiert, deren Funktionsträger mithelfen, dumpfe faschistische Grundtendenzen zu unterdrücken. Angesichts der - in vielen institutionellen und beruflichen Organisationen - fehlenden Entnazifizierung des Landes nach 1945 hatte Androsch damals wohl recht.

2011 lebt Europa im Zeitalter von Piratenparteien. Freies Internet für alle: 9 Prozent der Stimmen in der - zugegeben polyglotten - Stadt Berlin. Ein Beispiel aus Österreich: Die polizeiliche Nervosität bei herumstehenden Koffern in Graz und Innsbruck lässt den berechtigten Schluss zu, dass auch in Österreich die Terror-Gefahr gestiegen ist - vermutlich durch rechte Extremisten wie in Norwegen. Gibt es dazu eine offizielle Stellungnahme der Regierung? Nein.

Die Bevölkerung soll nicht in Unruhe versetzt werden. Dieser Satz - auch im sozial-, wirtschafts- oder steuerrechtlichen Kontext - ist das Grundkonzept vieler gewählter Politiker: Alles ist gut, und wenn es nicht gut ist, haben wir es im Griff. So lautet der politische Konsens in Österreich, das ist der wahre Artikel 1 der Verfassung.

Dass sich Jugendliche von diesem unsinnigen Satz verabschieden, sollte 2011 niemanden mehr verwundern. Dass immer weniger Bürger dieses politische Ayurveda-Programm über sich ergehen lassen, ebenfalls nicht.

Auch wenn es sich viele Landes- und auch manche Bundespolitiker nicht vorstellen können: Die über alle Kommunikationskanäle weltweit hereinströmenden Informationen machen die Bürger unabhängig. Sollte ein Landeshauptmann erklären, es sei eh alles super, steht zur selben Zeit die Währungsfonds-Chefin zur Verfügung, die klarmacht, dass sich die Welt gegenwärtig in einer mehr als schwierigen Phase befindet.

Die Modernisierungsbremser in Österreich sind nicht die Medien, es sind (nicht alle) Politiker. Die mögen hehre Motive dafür haben, aber sie liegen einfach grottenfalsch damit.