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Alles Lügner außer Bo

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik
© China

Auch am zweiten Prozesstag streitet der wegen Korruption angeklagte Bo Xilai sämtliche Vorwürfe ab.


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Als erste Amtshandlung ermahnte der Vorsitzende Richter Wang Xuguang am zweiten Prozesstag gegen Bo Xilai die Anwesenden, sich "zivilisiert, rational und fair" zu verhalten. Gemeint war offensichtlich der wegen "Bestechlichkeit, Unterschlagung und Amtsmissbrauch" in einer Gesamthöhe von rund 3,3 Millionen Euro angeklagte Bo, der sich am Vortag couragiert bis offensiv verteidigt hatte. Der gestürzte chinesische Spitzenpolitiker gelobte am Freitag zwar treuherzig Besserung, doch schon bald musste das Gericht im ostchinesischen Jinan erneut eine Verrohung der Sprache monieren.

Zunächst wurde das Video einer Zeugenaussage von Bos Ehefrau Gu Kailai gezeigt, die wegen des Mordes am britischen Geschäftsmann im Gefängnis sitzt und seit ihrer Verurteilung vor einem Jahr nicht mehr öffentlich gesehen wurde. In dem Video sagt sie, sie hätte ihren Mann über die Bestechungszahlungen eines Geschäftspartners informiert.

Bo, der sie am Vortag noch als "moderne, selbständige und rationale" Frau bezeichnet hatte, die ihm deshalb nicht alles mitgeteilt hätte, reagierte daraufhin deutlich weniger charmant. Er verglich seine Frau mit Jing Ke, einem gescheiterten Attentäter aus der chinesischen Geschichte und sagte: "Sie ist nun mal verrückt und erzählt oft Lügen. Die Ermittler haben riesigen Druck auf sie ausgeübt, um mich bloßzustellen." Auch Bos Anwalt nannte ihre Aussage unzulässig, da die Zeugin Psychopharmaka nähme. In der Tat wirkte sie in dem Video auffällig blass und kicherte nervös, als sie gefragt wurde, ob ihre Aussage unter Druck zustande gekommen wäre.

Auch Wang Lijun, der ebenfalls inhaftierte ehemalige Polizeichef von Chongqing belastete seinen früheren Chef mit seiner Aussage, die Bo jedoch umgehend als "Bullshit" abkanzelte. Das Staatsfernsehen CCTV besserte dies später als "Unsinn" aus.

Der Prozess wird am Samstag fortgesetzt, ursprünglich war von maximal zwei Prozesstagen ausgegangen worden. Dem 64-Jährigen drohen zwischen 15 Jahren und lebenslanger Haft, das Urteil dürfte jedoch erst Anfang September verkündet werden.

Chinas Staatsmedien haben dies bereits getan und bezeichneten den gefallenen Top-Kader als "arrogant", "tyrannisch" und "heuchlerisch", außerdem habe er keinen Respekt vor dem Gericht. Immerhin: Beim letzten großen Schauprozess Chinas gegen die "Viererbande" 1980 hatte Maos Witwe Jiang Qing der Richterin noch ein kerniges "Schlampe" ins Gesicht gezischt.