Die amtliche Inflationsrate liegt bei 3,3 Prozent. Die einzig relevante Inflationsrate, die vorrangig Güter des täglichen Bedarfs berücksichtigt, liegt bei 8 bis 10 Prozent, abhängig von den gekauften Produkten.
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Man kann in Zeiten wie diesen durchaus sparen, seinen Reallohn bei etwas gutem Willen durchaus selbst so gestalten, dass er zumindest nicht deutlich unter der Inflationsrate liegt. Zugegeben, niemand ist gezwungen, monatlich ein bis zwei Computer, zwei oder mehrere Digitalkameras, fünf Handys, fünf Tuben Zahnpasta und zehn Packerln Nudeln zu erstehen. Tut er es nicht, dann ist er eben selbst schuld an seinem hohen Reallohnverlust sowie an dem, was er an Lebensqualität versäumt.
Seien wir ehrlich: Wer zwingt die Österreicher zum Konsum von Lebensmitteln, die Mehl enthalten, wo dieses doch seit September 2010 um etwa 70 Prozent teurer wurde? Oder zu Erdäpfeln, die um über 30 Prozent mehr kosten? Auch Wein, Milch, Orangensaft, Butter, Tee, Kaffee, Gebäck, Reis gehören vom Speiseplan gestrichen. Wie wärs stattdessen mit Nudeln mit Fischstäbchen, gratiniert mit Zahnpasta, dazu ein Bier?
Also, die Inflationsrate ist in Wahrheit kein Thema. Zumindest nicht für jene, die richtig reagieren. Und richtig zu reagieren heißt, auf den Markt und dessen ungeheuren Chancen zu hören, auf unsere Politiker, die wir ja selbst gewählt haben, weil wir wissen, dass all ihre Gedanken ständig um unser Wohl kreisen. Warum wir unbesorgt sein können:
Die Justiz arbeitet unermüdlich Tag und Nacht, damit Korruption bei uns kein Thema sein kann. Wahrlich, kein Thema. So kann der Staatsbürger beruhigt schlafen, weil er weiß, dass zahlreiche Politiker und Experten in diversen Vorstandsetagen unermüdlich darauf achten, dass jeder Steuercent, jede Geldanlage oder Geldeinlage der Bürger auch wirklich dorthin kommen, wo sie hingehören.
AKW waren nie ein Thema - und wenn, dann nur in Form einer Volksabstimmung. Pläne, wie die Bevölkerung im Fall eines Super-GAU in grenznahen Atommeilern zu schützen ist, gibt es natürlich: Jodtabletten für Kinder, Fenster und Türen in den Häusern, die vor der im Übrigen völlig ungefährlichen Strahlung schützen. Evakuierungspläne für die Bevölkerung, etwa in Wien? Aber geh, man kann doch eine Millionenstadt nicht in Angst und Schrecken versetzen und evakuieren.
Eine Selbstverständlichkeit, und damit auch kein Thema, ist das hohe soziale Engagement der Politiker in ganz Europa. Wo sonst wären Rettungsschirme, die ganze Staaten vor dem finanziellen Ruin bewahren, indem sie - langfristig gesehen - auch andere und mitunter den noblen Spender selbst aus reiner Solidarität in diesen treiben, möglich? Wo sonst schmieden ganze Völker einen Sparkurs nach dem anderen, um Banken und Konzerne vor gröberen finanziellen Verlusten zu bewahren, und sei es um den Preis des Aufkündigens der eigenen über Jahrzehnte mühsam errungenen Sozialleistungen? Lieber sparen die Menschen bei sich selbst, als die stark angeschlagene Finanzwirtschaft im Stich zu lassen.
Die Zukunft unserer Jugend ist auch kein Thema, auch wenn einige - wohl unausgelastete Lehrer - dies gern so hätten. Zugegeben, nicht alles war bisher bestens: Schüler konnten sich ihre Lehrer nicht aussuchen, manchem hochintelligenten, aber von unfähigen Lehrern verkanntem Genie drohte die Wiederholung einer Schulstufe. Aber unsere Politiker und von diesen anerkannte Schulexperten ebnen jetzt die Wege für eine akademische Laufbahn aller Jugendlichen. Jene, die das nicht wollen, sollen gefälligst an Privatschulen gehen und dafür zahlen. Und das werden sie wohl auch.
Gerhard Kohlmaier ist Initiator der ÖGB-Initiative Steuerini.at.
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.