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Alles schweigt - und die Demokratie wird zu Grabe getragen

Von Gerhard Kohlmaier

Gastkommentare
Gerhard Kohlmaier ist für die Steuerinitiative im ÖGB (www.steuerini.at) verantwortlich.

Das Volk spricht längst pauschal von den "korrupten Politikern". Tragisch ist die Konsequenz daraus: der Rückzug aus politischen Entscheidungsprozessen.


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Schweigen ist modern geworden in unserer Demokratie. Zunächst einmal im politischen Umfeld von Entscheidungsträgern, die im Korruptionsausschuss des Parlamentes unter Beweis stellen, dass sie gerade noch über ein Kurzzeitgedächtnis verfügen. Vor wenigen Jahren haben sie damit immerhin noch Ministerämter bekleidet. Aber nicht nur Politiker wie Ernst Strasser, Mathias Reichhold und andere, gegen die Untersuchungen wegen des Verdachts auf Korruption laufen, leiden unter dieser gedanklichen Schwindsucht.

Andere ziehen es vor, ihr Schweigen zu für die Bevölkerung bedeutsamen Ereignissen in politische Leerphrasen zu hüllen und tragen eben auf diese Art zur Schweigekultur bei. Die Anzahl dieser Schweiger ist groß, denn diese eintrainierte, für das Erklimmen der Parteihierarchie offensichtlich notwendige Schweigetaktik beherrschen nahezu alle Volksvertreter mehr oder weniger perfekt.

Letztlich gibt es noch die von der Parteipolitik in hohe politische Ämter des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft gesetzten Systemschweiger. Diese Vasallen gehören zu den Profiteueren dieser Politunkultur und mauern beziehungsweise schweigen um ihrer Ämter und ihrer Gehälter willen.

Wenn schließlich und endlich sogar ein Bundespräsident schweigt, wenn die Regierung ohne Befragung des Volkes und/oder ohne 2/3-Mehrheit im Parlament eine Verfassungsänderung durchführen will, dann sind wir auf dem Olymp des Schweigens angelangt. Da wäre selbst Bruno Kreisky sprachlos.

Österreich ist ein Korruptionsstaat. Bescheinigt wird dies unter anderem von einer OECD-Studie. Das Volk spricht längst pauschal von den "korrupten Politikern" und von all jenen, die durch deren "Gunst" in verantwortliche Positionen im Land gesetzt werden und dann entweder selbst korrupt sind oder die Machenschaften zumindest decken und zu verschleiern helfen. Tragisch ist jedoch die Konsequenz, die das Volk daraus zieht: nämlich sich aus politischen Entscheidungsprozessen zurückzuziehen, also selbst zu schweigen, weil ja ohnedies "alle korrupt" seien, anstatt diese Korruption mittels Volksentscheid zu beenden.

Letzteres wäre jedoch dringend notwendig. Die Demokratie bietet uns die Möglichkeit, dass wir auch gewählte, aber unfähige oder korrupte Politiker aus ihren Ämtern entfernen, genauso wie die beharrlichen Schweiger, die "Ja-Sager" und Parteigünstlinge in den wichtigen Ämtern des Staates, die Erstere decken und/oder nicht das Wohl des Volkes, sondern nur ihr eigenes im Auge haben. Diese "Volksentscheidung" ist in unserer Demokratie nicht nur auf den Wahltag beschränkt. Auch die Kundgebung, die Demonstration, der Streik, das Volksbegehren, vor allem aber die Volksabstimmung sind demokratische Rechte, die uns die Möglichkeit bieten, wirklich unabhängige Kontrollinstanzen für die Politik und deren Umfeld zu fordern und zu schaffen. Tun wir es nicht, wird diese bereits vor sich hinsiechende Demokratie bald ihre letzten Atemzüge tun - und wir selbst machen uns mitschuldig an ihrem Tod.