Ob im Wasser oder in der Luft: Wer in der Szene der Modellbaufans etwas auf sich hält, kauft keine Fertigteil-Flieger oder -Schiffe, sondern legt selbst Hand an - und zwar vom Bauplan bis zur Jungfernfahrt.
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Sie gehören eindeutig zur Gattung Männerspielzeug, die kleinen und großen Boote, die lautlos über das Wasser gleiten. Wie überall bestätigen aber auch hier Ausnahmen die Regel. So wie Regina Albaner, die eines von rund 30 aktiven Mitgliedern des MSBK Titanic Linz ist: "Mein Freund hat mich angesteckt. Wenn man immer mit dabei ist und zuschaut, will man irgendwann selbst auch mitmachen." Und so hat sie im Herbst 2008 erstmals an einem Fahrbewerb teilgenommen und sogar heuer beim Badener Rosenpokal der IG Schiffsmodellbau NÖ Süd in ihrer Bootsklasse gewonnen.
Bei den Bewerben, die von den rund einem Dutzend Modellschiffbauerklubs in Österreich veranstaltet werden, geht es allerdings weniger um den Sieg als vielmehr darum, die Vielzahl an Modellen zu bewundern, die seit dem letzten Mal bei den Teilnehmern dazugekommen sind. Auch die Atmosphäre ist sehr familiär - es sind alle Berufsgruppen vertreten, Standesdünkel gibt es hier nicht - und lässt den Schluss zu, dass es sich bei den Hobbybastlern grundsätzlich um sehr gesellige Menschen handelt. Auch wenn sie oft stundenlang daheim im stillen Kämmerchen sitzen und werken. "Rund 200 Arbeitsstunden habe ich in dieses Boot gesteckt", erzählt etwa Holger Linzmeier, der gerade seine gut eineinhalb Meter lange "Küstenwache" zu Wasser lässt. Im Vergleich zum emotionalen Wert fallen die etwa 3000 Euro, die das Material gekostet hat, schon fast gar nicht ins Gewicht.
Was die meisten Schiffe hier auszeichnet: Es sind keine 08/15-Bausätze aus dem Fachhandel, sondern sogenannte Planbauten. Sprich: Der Bastler besorgt sich einen Plan und macht sich dann auf die Suche nach geeigneten Materialien: Die Ressourcen reichen vom Eislutscherstangerl bis zum Briefbeschwerer. Gut ein Jahr rechnen die meisten für die Fertigstellung. "Hier ist alles handgemacht, 800 Stunden Arbeitszeit stecken da drinnen", erklärt Franz Starsich und zeigt stolz auf sein 17-Kilo-Dampfschiff, das nicht nur im Jahr 2003 Vizeweltmeister seiner Klasse in Frankreich wurde, sondern auch schon für die ORF-Sendung "Newton" in der Wiener Schiffsbauversuchsanstalt im Einsatz war und dort den Moderator in einem Papier-Schiffernakel hinter sich her gezogen hat.
Von U-Boot bis Helikopter. Technisch anspruchsvoller sind Modell-U-Boote, sagt Toni Schwarz. Der Pensionist ist sozusagen zweigleisig unterwegs, denn er ist sowohl bei der IG Schiffsmodellbau NÖ Süd als auch bei der IG Modell-U-Boote Austria aktiv. Wobei seine wahre Leidenschaft den U-Booten gehört. Auch hier gibt es natürlich viele fertige Bausätze, Schwarz hat aber auch schon ein U-Boot komplett selbst nach Plan angefertigt. Und warum ausgerechnet U-Boote? "Mich reizt es, die dritte Dimension zu erfahren. Und fliegen war mir zu riskant. Denn da haut man halt doch viel mehr zusammen in der Anfangssphase."
Deshalb üben die meisten Modellflieger auch zuerst am Simulator, erzählt Andreas Bruckner vom 1. Modell-Helikopter-Club (MHC) Austria. Angefangen hat er mit Flugzeugen, seit 1988 ist er fast nur noch mit Hubschraubern auf dem Flugplatz, "und zwar im Sommer rund dreimal in der Woche". Rund 70 Mitglieder hat der 1. MHC Austria mittlerweile, und jedes Jahr kommt fast ein Dutzend dazu. "Wir sind schon so viele, dass wir gar keine Werbung mehr machen", erzählt Bruckner. "Das Fliegen ist eine Art Funsportart geworden, so wie Bungeejumping oder Rafting. Das konsumieren viele ein paar Jahre lang und hängen es dann wieder an den Nagel."
Der harte Kern allerdings ist Modellflieger mit Leib und Seele. Und hat nicht nur ein funktionstüchtiges Fluggerät daheim stehen, sondern mehrere. Und jedes Jahr kommen neue dazu. Wobei es sich bei den Hubschraubern eher um Bausätze aus dem Fachgeschäft handelt (ab 600 Euro; Fernsteuerung ab 300 Euro), dadurch kommt man auch leichter an Ersatzteile. Bei den Flugzeugen sind da schon mehr Modelle Marke Eigenbau unterwegs. "Da musst du oft sehr kreativ sein, wenn dir ein Teil fehlt", meint der passionierte Modellflieger Karel Woch.
Was aber noch viel wichtiger ist: Die Partnerin muss tolerant sein, denn sonst sind Streitigkeiten programmiert. "Wenn ich daheim am Esszimmertisch arbeite, sieht sie das nicht immer ein." Aber auch wer eine eigene Werkstatt sein Eigen nennt, ist nicht vor Kritik gefeit. Denn dann wird den Hobbybastlern vorgeworfen, dass sie sich zu lange zurückziehen.
Erfinder, Mechaniker, Künstler und Steuermann. Eine gefestigte Partnerschaft ist also offenbar grundlegend für das teure Hobby. Und auch Vielseitigkeit: Denn wer ein Modellflugzeug oder -schiff baut, ist gleichzeitig Erfinder, Mechaniker, Künstler und Steuermann, muss mit Holz ebenso gut umgehen können wie mit Farblack und Superkleber. Das Alter spielt übrigens keine Rolle: Auf den heimischen Flugplätzen und Fahrwassern tummeln sich Fünfzehnjährige ebenso wie Achtzigjährige. Eins haben sie alle gemeinsam: die Liebe zur kleinteiligen Technik. "Wenn du dann etwas selbst geschaffen hast, ist es unheimlich befriedigend", sagt Karel Woch. Dann sind sogar die kritischen Blicke der Ehefrau halb so schlimm.
IG Schiffsmodellbau NÖ Süd.
IG-Abende jeden letzten Mittwoch im
Monat ab 18 Uhr: Wienersdorfer Hauptstraße, 2514 Traiskirchen/Wienersdorf
Fahrtraining jeden Samstag 15-19 Uhr
im Doblhoffpark, 2500 Baden bei Wien
www.ig-schiffsmodellbau.at
SMBK Titanic Linz.
Klubabende jeden ersten Donnerstag
ab 18.30 Uhr in "Johanns Restaurant",
Julius-Raab-Sraße 6-8, 4040 Linz-Auhof www.titanic-linz.at
n IG Modell-U-Boote Austria.
Präsentationsstand bei der Wiener Modellbaumesse von 23. bis 26. Oktober 2009
www.igu-austria.org
Modellbaumesse.
23. bis 26. Oktober 2009
In den Hallen C und D der Messe Wien, Messeplatz 1, 1020 Wien
www.modell-bau.at