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Alles sicher, oder was?

Von Alexander Maurer

Politik

Wiens größte Sicherheitsbefragung stellt städtischen Helfern gutes Zeugnis aus, zeigt aber auch Sorgen und Angsträume.


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Wien. Im Brandfall Scheibe einschlagen und mit der Strickleiter aus dem Fenster - oder? Eigentlich wäre es das Klügste, die Feuerwehr zu verständigen, aber subjektive Angst und das eigene Sicherheitsgefühl gehen oft ihre eigenen Wege. Wie bei jener 82-Jährigen, die aus Angst vor Feuer überlegte, sich eine Strickleiter anzuschaffen, um bei einem Brand aus dem vierten Stock klettern zu können. Erzählt hatte sie das den "Helfern Wiens" auf einer der 107 Veranstaltungen der großen Sicherheitstour, die die Präventionseinrichtung von Ende Mai bis Ende Oktober dieses Jahres veranstaltet hat. "Das kann man oft nicht mit Zahlen und Daten ändern, da muss man mit den Menschen sprechen", erklärt Wolfgang Kastel, Geschäftsführer der "Helfer Wiens".

Die Präventionseinrichtung der Stadt Wien ist Organisations- und Informationsdrehscheibe für 38 sicherheitsrelevante Organisationen der Donaumetropole und leistet vor allem Aufklärungsarbeit. Im Rahmen der Sicherheitstour wurden mehr als 5000 Wiener über ihr eigenes Sicherheitsgefühl, Verunsicherungsfaktoren und ihr Vertrauen in die Einsatzkräfte befragt. Das stellt die größte Erhebung dieser Art dar, die in Wien je durchgeführt wurde, sagt Kastel.

Bildung erhöhtSicherheitsgefühl

"Das Schlagwort ,Wien ist eine sichere Stadt‘ ist kein reines Schlagwort, sondern wird von der Bevölkerung auch so empfunden", betonte Landtagspräsident Harry Kopietz, gleichzeitig Vizepräsident der Helfer Wiens, vor der Präsentation der Studienergebnisse. Tatsächlich empfindet der Großteil der Wiener ihre Heimatstadt als sicher - im Schnitt 87 Prozent. Wer noch nie Opfer einer Straftat war, vertritt diese Meinung naturgemäß stärker, da sind es mehr als 90 Prozent. Aber sogar Gewaltopfer, bei denen diese Werte laut Umfrage noch am schlechtesten sind, halten Wien immer noch zu drei Vierteln für sicher. Generell fühlen sich die Menschen zumindest "eher sicher", das trifft auf beinahe neun von zehn Wienern zu. Interessanterweise nimmt das Sicherheitsgefühl mit Höhe der Bildung zu. Wolfgang Tomaschitz, Forschungsleiter des Insituts TrendCom, das die Studie durchgeführt hat, begründet dies damit, dass Menschen mit höherer Bildung meist auch ein höheres Einkommen beziehen und so bessere Maßnahmen für ihre eigene Sicherheit treffen können. Auch Wohngegend und das soziale Umfeld spielen hier eine Rolle, so Tomaschitz.

Favoriten ist"gefühltes" Schlusslicht

Ebenso konnte eine Reihung der Bezirke nach der gefühlten Sicherheit erstellt werden. Während Hietzing und Währing die Liste als fast vollständig sicher geltende Bezirke anführen, liegt die Innere Stadt an vorletzter Stelle. Jedoch merkte Tomaschitz an, dass auch die Werte für das Schlusslicht Favoriten noch gut sind - dort hat in etwa jeder Fünfte Unsicherheitsgefühle und lediglich knapp drei Prozent plagen konkrete Sorgen, da sie ihren Bezirk als "gar nicht sicher" ansehen.

Die größten Angstbereiche in der Stadt sind für die Bürger schlecht beleuchtete Areale, U-Bahn-Stationen und Garagen. Dort fühlen sich Frauen übrigens unsicherer als Männer. Frauen fürchten sich auch stärker vor gewaltsamen Übergriffen und Diebstahl. Opfer eines dieser Verbrechen zu werden, bereitet den Wienern die größten Sorgen. Erfreulich: Die Wiener scheinen über Einrichtungen und Beratungsangebote gegen Gewalt an Frauen bestens informiert zu sein. So kennen 86,5 Prozent die Frauenhäuser und 59 Prozent den 24-Stunden Frauen-Notruf. Geht es um Erste Hilfe, herscht bei einigen Wienern Nachholbedarf. Ein Viertel der Befragten gestand sich ein, nicht über die Erstversorgung mit den in Wien verteilten Defibrillatoren bescheid zu wissen.

Für Harry Kopietz ist die Untersuchung "eine wichtige Unterlage für die Regierung und die Organisationen, um nachzuschärfen. So können und sollen beispielsweise Angsträume durch Nachrüstung von Beleuchtung reduziert werden", betont er. Auch sei mehr Aufklärungsarbeit gefordert, um Ängsten entgegenzuwirken, fügte er an.

Polizei, Rettung und Feuerwehr sind in den Augen der Wiener mit Abstand die größten Hüter der städtischen Sicherheit. Auch Polizeipräsident Gerhard Pürstl freut sich über das seinen Beamten entgegengebrachte Vertrauen. Gegenüber der "Wiener Zeitung" erklärte er aber auch, dass sich die Menschen spätestens seit den Anschlägen von Paris vermehrt Sorgen um Terrorgefahr machen würden. "Das sehen wir auch an den Fragen, die uns gestellt werden. Beispielsweise ob man noch zu Massenveranstaltungen gehen oder ein Theater besuchen kann. Das darf man auch nicht ins Lächerliche ziehen und man muss sich damit beschäftigen. Das sind berechtigte Sorgen und dafür ist die Polizei auch da", so Pürstl.

Er sei für ein Vorgehen mit ruhiger Hand. "Man muss den Menschen auch das Gefühl vermitteln, dass jene, die für die Sicherheit verantwortlich sind, das auch anpacken und ihr Möglichstes tun." Er sehe derzeit in Österreich und speziell Wien aber keine konkrete Bedrohungslage.

Zahl der Einbrüche in Wienseit 2014 rückläufig

Was die allgemeine Sicherheit angeht, sieht Pürstl in Wien einen Kriminalitätsrückgang. "Schon die Kriminalstatistik 2014 war exzellent und die Statistik für 2015 wird, so wie ich das sehe, noch bessere Werte bringen", stellte er in Aussicht. Vor allem bei Verbrechen wie Taschendiebstahl oder Einbrüchen befänden sich die Zahlen im Sinken. "Über Verbrechen, die den persönlichen Lebensbereich tangieren, ärgern sich die Menschen am meisten. Wenn es uns in diesen Bereichen gelingt, die Zahlen tief zu halten, haben wir schon viel gewonnen", meint Pürstl.

Wie auch Harry Kopietz würde sich Gerhard Pürstl wünschen, dass in Wien ausgebildete Beamte auch in der Stadt bleiben, anstatt in die Bundesländer abzusiedeln. "Aber ich bin realistisch und weiß, dass das nicht geht", meinte der Polizeichef. Er sei mit den Programmen der letzten Jahre, etwa der Vereinbarung zwischen Bürgermeister und Innenministerium über 1000 zusätzliche Beamte für Wien einverstanden. "Der Pakt hat im Grunde gehalten", meint Polizeichef Pürstl.