)
Uns Österreicher eint der Hang zur Oberflächlichkeit, zum schnellen Urteil - quasi ein "Eh schon wissen" auf sämtlichen Niveaus. Wir haben vielleicht Ideen und Wunschziele, aber kaum handfeste und umsetzbare Konzepte, diese auch tatsächlich zu erreichen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Höchstens in kommunikativer Selbsthypnose sind wir Weltmeister: Überall wollen wir Weltklasse sein, der Weg dorthin ist uns dann jedoch irgendwie zu mühsam, zu kompliziert.
Die zutiefst erbärmlich geführte Debatte um die Wehrpflicht ist nur der aktuellste Beleg für diesen Befund. Leider kann sich kein Politikbereich von dieser Kritik ausnehmen.
In dieses Bild passt auch unser Verständnis von Politikern. Bürger wie Medien himmeln sie an und würden am liebsten auch noch die abstrusesten Versprechungen von Herzen glauben. Anders ließe sich die Art und Weise, wie die Parteien in diesem Land ihre Wahlkämpfe führen, tiefenpsychologisch tatsächlich gar nicht erklären. Im nächsten Augenblick stempeln wir unsere Politiker an den medialen wie realen Stammtischen allesamt zu potenziellen Defraudanten, zumindest jedoch zu unfähigen Trotteln ab.
Ein solches Verhältnis deformiert natürlich - und zwar Bürger wie Politiker, von der sogenannten kritischen Öffentlichkeit gar nicht zu reden.
Besserung versprechen wohl einzig und allein strukturelle Reformen bei der Auswahl unserer Politiker. Ein Mehrheitswahlrecht mag den ewigen Koalitionsstreit beenden und die Handlungsfähigkeit einer Regierung erhöhen. Ob ein solches auch die Ernsthaftigkeit psychischer Reife des Personals zu steigern vermag, darf bezweifelt werden. Wahlkämpfe versprechen dann noch scham- und rücksichtsloser geführt zu werden, schließlich lockt bei Erfolg die absolute Mehrheit.
Notwendig wäre ein radikaler Bruch mit dem existierenden Listenwahlrecht, das die Entscheidung über politische Karrieren in die Hände exklusiver Parteizirkel legt. Wahrscheinlich kann nur ein konsequent umgesetztes Persönlichkeitswahlrecht die Kluft, die sich zwischen Bürgern und Politikern aufgetan hat, wieder überbrücken. Und wenn Volkes Stimme dann immer noch der Überzeugung ist, dass "da oben an der Spitze" lauter Gauner sitzen, dann ist das Volk eben ganz allein schuld an diesem Umstand.