Zum Hauptinhalt springen

Alles umsonst?

Von Franz Zauner

Leitartikel
Franz Zauner ist Online-Chef der "Wiener Zeitung".

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Jacques Delors, als dreifacher EU-Kommissionspräsident zu seiner Zeit einer der starken Männer Europas, hat es schon vor 25 Jahren gewusst: Die EU, befand er, sei ein UPO, ein Unbekanntes Politisches Objekt. Diese Spitze gegen politische Unklarheit fiel noch in Europas guter, alter Zeit, als Wahlen im europäischen Ausland etwas Exotisches waren. Heute ist jede Wahl Europa-Wahl. Das sieht man auch an den in Wahlkampfzeiten gerne auch offen gepflegten Animositäten im exklusiven Klub des Europäischen Rates, wo die Fluktuation unter den Staats- und Regierungschefs mittlerweile beachtlich ist. Und die Sorge aller Berufseuropäer ist bei jeder Wahl die gleiche: Die mühsam konstruierten Rettungsarchitekturen, die enervierenden Monsterverhandlungen, die durchgepeitschten Sanierungskonzepte - war das alles umsonst?

Ja, es könnte sein. Die Griechen haben Nepotismus und Misswirtschaft bestraft, indem sie so radikal wählten wie befürchtet. Ein Trupp von Rechtsradikalen mit Schlägertypen-Anmutung hat es ins Hohe Haus geschafft, auch der in Europa schon entsorgt geglaubte Sowjet-Kommunismus wird dort sein spätes Echo finden. Die griechische Antwort auf das Projekt "Geld gegen Reformen"? Ein schillerndes Populismus-Bouquet jenseits des Euro. Ein Staatsbankrott aus freien Stücken lag Sonntagabend in der Luft: Macht kaputt, was euch kaputt macht. Wenn schon der neue französische Präsident François Hollande den Fiskalpakt neu verhandeln möchte, warum sollen sich die Griechen zurückhalten? Die Renaissance krassester Armutsformen zeigt sich unübersehbar im Straßenbild ihrer Städte.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, Europas heimliche Vorsitzende, ist in ihrem informellen Amt an diesem Wahl-Wochenende nicht gerade bestätigt worden. Europa hat unter ihrer Ägide sein riesiges Schuldenproblem scheibchenweise in Angriff genommen, in zumutbare Zumutungen tranchiert. Die Rettungsschirme wurden trotzdem immer größer. Eine goldene Gründerregel nach der anderen musste gebrochen werden, nur die ganz großen Tabus, etwa die Euro-Bonds, blieben unangetastet.

Das Resultat war dennoch eine halbe Haftungsunion mit totalem Sparzwang, vielen Widersprüchen und wenig Klartext - ein UPO. Hollandes Wunsch, das UPO neu und ein wenig französischer zu denken, könnte schneller in Erfüllung gehen, als ihm lieb ist.