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"Alles, was extrem ist, ist zu verurteilen"

Von Werner Reisinger

Politik

2016 lud Norbert Hofer einen Arzt ins Parlament ein. Dieser engagiert sich intensiv für die Identitären.


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Wien. Das Thema Pflege, sagt Norbert Hofer, sei ihm ein ganz spezielles Anliegen. Der Ex-Präsidentschaftskandidat, Dritte Nationalratspräsident und enge Vertraute von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fungiert auch als Pflege- und Behindertensprecher der Freiheitlichen. Nicht verwunderlich also, dass Hofer Mitte April des vergangenen Jahres zu einer Veranstaltung im Parlament einlud, bei der er und die FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein, zusammen mit ausgewählten Experten, die Zukunft des Pflegegeldes diskutierten. Eine "ganz wichtige Neuerung" und Unterstützung sei die Einführung desselben gewesen, sagte Hofer damals, man müsse "Sorge tragen, dass diese Unterstützung auch Zukunft hat".

Fachliche Unterstützung am Podium bekam Hofer damals auch vom ehemaligen Oberarzt Dr. Alfred Lepsinger, der heute als selbständiger Pflegegutachter tätig ist. Der Internist ist in seiner Freizeit sehr umtriebig, vor allem in sozialen Netzwerken. Die Identitäre Bewegung, über die im Verfassungsschutzbericht 2016 ein ausführlicher Beitrag zu lesen ist, hat es Lepsinger augenscheinlich besonders angetan.

Identitäre Begeisterung

Bereits Mitte Juni hatte sich der Tiroler Blogger Dietmar Mühlböck für sein Projekt "Unten Rechts" mit Lepsingers Auftreten im Netz beschäftigt. Mühlböck stieß damals auf ein Posting, das Lepsinger mit seinem Account in der über 3000 Mitglieder zählenden Gruppe "Grenzen schützen (Team 69)" öffentlich teilte. Darauf zu sehen: Das Bild einer Rutsche, deren Ende direkt auf die Straße zeigt, direkt vor ein herannahendes Auto. "Ich habe dem Asylheim eine Rutsche gespendet", steht unter dem Bild. Den Gleichgesinnten in der Gruppe gefällt es: "Ist ja ein guter Standort!", schreibt einer, eine andere: "Fahren hier auch viele LKW?"

Sieht man sich das (öffentliche) Facebook-Profil des Internisten genauer an, fällt vor allem dessen intensives Engagement für die Identitäre Bewegung auf. Zwischen Postings, die sich gegen Tierleid aussprechen, finden sich seit dem Mai 2016 zahlreiche Facebook-Beiträge des Führungskaders der Identitären, Martin Sellner. Eines seiner Fotos ziert der Slogan "Mehr denn je für die IBÖ" (Identitäre Bewegung Österreich, Anm.), gehalten in dem Stile der Wahlplakate des heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Sein Profilbild hat der Internist mit dem Lambda, dem Logo der Identitären, veredelt.

Besonders gerne teilt Lepsinger Videos von Martin Selllner, der als zentrale Figur der Identitären in Österreich gilt und intensiv an deren internationalen Vernetzung und Verbreitung arbeitet. In einem der Videos empört sich Sellner über einen Zeitungsartikel, in dem Innenminister Wolfgang Sobotka vor der rechtsextremen Identitären Bewegung warnt.

"Ich kenne hier keinerlei Toleranz, hier kann man nicht von Rechtspopulismus sprechen, das sind klassische Rechtsradikale", zitiert Sellner den Innenminister, der die Identitären als "Gefahr für die Demokratie" bezeichnet.

Noch deutlicher wird Lepsinger in der Facebook-Gruppe "Die Runde (Das Original): "Wir senden auch auf Türkisch und Arabisch", steht in frakturähnlicher Schrift über einem Bild eines MG 42. "Radio Germania 90.3. 14000 Hits pro Minute... Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf", ist im Bild zu lesen. Wusste Norbert Hofer, wen er sich da ins Parlament einlädt? "Er ist uns als Experte in Sachen Pflege genannt worden. Hätte ich gewusst, dass der Herr sich in der Nähe der Identitären befindet, hätten wir ihn natürlich niemals eingeladen", sagt Norbert Hofer zur "Wiener Zeitung". Hofers Sprecher Konrad Belakowitsch bestätigt, dass die Veranstaltung vom Büro Hofers initiiert worden war.

Ob Lepsinger nach wie vor mit der FPÖ kooperiert, auf FPÖ-Veranstaltungen spricht oder gar FPÖ-Mitglied ist? Seinem Wissen nach habe es seit der Veranstaltung im April 2016 keine weitere Kooperation mit Lepsinger gegeben, sagt Belakowitsch. Und ergänzt: "Was der Herr privat macht, ob er bei den Identitären engagiert ist, oder bei der SPÖ oder den Grünen, wissen wir nicht." Zumindest auf Facebook unterstützte Lepsinger energisch die Kandidatur Norbert Hofers für das höchste Amt im Staat. Dass er zumindest überzeugter FPÖ-Anhänger ist, ist aus den zahlreichen Einträgen klar herauszulesen. Lepsinger ist nach wie vor Mitglied in Hofer-Unterstützungsgruppen mit großer Mitgliederzahl. "Die FPÖ hat geschichtlich die längste demokratische Tradition unter den heutigen Parlamentsparteien!", schreibt er in einem Posting. Für die "Wiener Zeitung" war der aus Niederösterreich stammende Internist und Pflegegutachter bis Redaktionsschluss nicht erreichbar.

Aufregung um Hübner

Norbert Hofer gibt sich am Telefon zerknirscht. "Ich habe mich während des Wahlkampfs sehr bemüht, klarzumachen, dass ich mich von den Identitären distanziere", sagt er. "Ich will mit diesen Leuten nichts zu tun haben", sagte Hofer im Mai 2016 in einem APA-Interview. Und: "Alles, was extrem ist, ist zu verurteilen und im Keim zu ersticken."

Auch andernorts plagen Rechtsextremismus-Vorwürfe die FPÖ. Deren außenpolitischer Sprecher Johannes Hübner nahm laut "Standard" im Juni 2016 am Kongress der rechtsextremen "Gesellschaft für freie Publizistik" im deutschen Thüringen teil und hielt dort eine Rede, in der er den Schöpfer der Verfassung, Hans Kelsen, in bester Szene-Manier als "Hans Kohn" bezeichnete und Bundeskanzler Christian Kern als "exzellentest vernetzt in der Logenszene" diffamierte. Dieser reagierte, wie auch ÖVP-Chef Kurz, Grüne, Neos und Bundespräsident Van der Bellen, scharf auf Hübners Auftritt: Die Aussagen seien "absolut jenseitig und völlig inakzeptabel". "Um dieses Verhalten zu bewerten, muss man nicht lange unseren Wertekompass bemühen", so Kern. Grüne und Israelitische Kultusgemeinde fordern Hüberns Rücktritt, dieser selbst sieht sich als Opfer einer "Jagdgesellschaft".