Österreichs Wirtschaftsforscher prognostizieren für 2015 nur geringes Wirtschaftswachstum.
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Wien. Das bisherige europäische Vorzeigeland Österreich gerät ins Hintertreffen. Es gibt keine großen Impulse vom Außenhandel, die Investitionen und der private Konsum stagnieren. Das alles führt dazu, dass Österreich den Wachstumsvorsprung verloren hat. So jedenfalls beurteilen das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und dessen Direktor Karl Aiginger sowie Christian Keuschnigg für das Institut für Höhere Studien (IHS) die wirtschaftliche Situation des Landes in ihrer Prognose für nächstes und übernächstes Jahr, die am Donnerstag präsentiert wurde. Für 2015 sagen die beiden eine "Erholung auf tiefem Niveau" voraus.
Ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent erwartet das Wifo für kommendes Jahr, das IHS ein Wachstum von immerhin 0,8 Prozent. Auf der Wachstumsannahme von 0,8 Prozent basiert auch der am Vortag präsentierte Bericht des Fiskalrates, der damit das Budget 2015 als abgesichert darstellt. 2016 soll es dann wieder etwas besser werden: plus 1,1 Prozent-BIP-Wachstum (Wifo) beziehungsweise 1,6 Prozent (IHS).
Die Arbeitslosigkeitbleibt bis 2016 hoch
Dass die Wirtschaftsforscher - die in ihren jetzigen Prognosen die kommende Steuerreform nicht berücksichtigt haben, weil Details fehlen -auch irren können, kann man anhand der Entwicklung der Arbeitslosigkeit sehen. Denn im Vorjahr wurde für Anfang 2015 bereits Entspannung auf dem Arbeitsmarkt vorhergesagt, jetzt heißt es: bitte warten. Die aktuelle Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent (nationale Definition) wird auch nächstes Jahr und 2016 auf diesem Niveau verharren beziehungsweise weiter steigen. So soll sie laut Wifo 2015 bereits 8,9 Prozent betragen und 2016 auf 9,3 Prozent klettern. Das IHS rechnet für 2015 mit einer Arbeitslosigkeit in Höhe von 8,9 Prozent und 2016 mit einem Rückgang auf 8,7 Prozent.
Das steigende Arbeitskräfteangebot ist vom Zuzug aus dem Ausland getragen sowie von geburtenstarken Jahrgängen der Altersgruppe ab 50 Jahren - und der Einschränkung der Möglichkeiten für deren Pensionsantritt. Für den Beschäftigungsanstieg wiederum sorgt primär der Dienstleistungsbereich. Für den Zeitraum bis 2016 prognostizieren die Wirtschaftsforscher eine Stagnation des Arbeitsvolumens, wodurch Wirtschaftswachstum nur auf Produktivitätssteigerungen beruhen kann.
Mit ein Grund für die schwierige Arbeitsmarktlage war laut Wifo-Chef Aiginger die fast ein Jahr andauernde Führungslosigkeit Europas. In dieser Zeit seien Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit großteils nicht umgesetzt worden. Auf Österreich bezogen weist der Wifo-Leiter auf das laut Vertretern der Wirtschaft größte Standortproblem hierzulande: hinreichend qualifizierte Arbeitskräfte.
Daher sei es notwendig, das Bildungssystem effizienter zu organisieren und vor allem in Forschung zu investieren. Da habe Österreich nachgelassen, und das schade dem Land, sagt Aiginger.
Genau so sieht das auch Keuschnigg: Innovation sei die Grundvoraussetzung dafür, dass Unternehmen sich - auch international - positionieren können. "Wenn wir das nicht schaffen, müssen wir uns auf den Preis- und damit auf den Lohnwettbewerb verlassen", warnt Keuschnigg, der das Institut mit Jahresende verlässt und wieder ganz an die Universität von St. Gallen in der Schweiz zurückkehrt.
Beide Wirtschaftsforscher sehen aber dennoch Möglichkeiten der Politik, Österreich wieder auf den Wachstumspfad zu bringen: Reformen, die diesen Namen auch verdienen, und mehr Ausgaben für Forschung.
"Die hohe Inflation ist Konsumbremse Nummer 1"
Sowohl Aiginger als auch Keuschnigg machen die hohe Inflation von 1,6 Prozent heuer (1,5 Prozent im kommenden Jahr) verantwortlich für den schwachen Konsum. "Das ist die Konsumbremse Nummer eins", sagt Aiginger, und das sei hausgemacht.
Die Reallöhne seien heuer zum siebenten Mal in Folge gesunken (heuer um 0,5 Prozent). Besonders kritisch hob Aiginger hervor, dass ein Prozent der Lohnsteigerung verloren geht. "Das wird vom Staat kassiert." Und zwar fallen 0,5 Prozent davon höheren Gebühren und weitere 0,5 Prozent der kalten Progression zum Opfer.
5 Milliarden Euro aus kalter Progression seit 2008/2009
Überhaupt wurde die kalte Steuerprogression kritisiert. Diese müsse den Menschen mit der Steuerreform zurückgegeben werden. Seit 2008/2009 habe der Finanzminister alleine dadurch, dass die Menschen in höhere Steuerstufen gerutscht seien, 5 Milliarden Euro mehr eingenommen. Mittlerweile sei das Aufkommen aus der Lohnsteuer höher als jenes aus der Mehrwertsteuer, denn die Mehrwertsteuer wächst mit der Wachstumsrate der Wirtschaft, die Lohnsteuer wächst aber progressiv. Daher plädieren sowohl Aiginger als auch Keuschnigg für eine Steuerreform.
Keuschnigg hält eine aufkommensneutrale Steuerreform - also ohne Gegenfinanzierung - in einem ersten Schritt für machbar: Es sollten alle Steuerbegünstigungen gestrichen und die Lücken bei der Mehrwertsteuer geschlossen werden. Im Gegenzug könnte man die Tarifstufen senken. Damit käme man weg von einer Besteuerung der Arbeit und hin zu einer Besteuerung des Konsums. Außerdem rät Keuschnigg dazu, die Immobiliensteuer auf das frühere Niveau zurückzuführen - die Einheitswerte auf die heutigen Verkehrswerte anzuheben. Damit würde man Ungerechtigkeiten beseitigen und das wäre aufkommensneutral. Alles andere müsse mit dem Ziel des Schuldenabbaus vereinbart werden.