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Es gab einmal eine Zeit, da konnten es sich kluge Menschen leisten, sich selbst und der Öffentlichkeit einzugestehen, nichts zu wissen. Und, fast noch wichtiger: Diese ohnehin klugen Menschen konnten mit einem solchen Bekenntnis noch weiter an Prestige und Anerkennung gewinnen.
Heute hingegen kommt das Eingeständnis, einigermaßen ratlos vor den Herausforderungen der Wirklichkeit zu stehen, der größtmöglichen Bankrotterklärung gleich. Und fast hat es den Anschein, dass die Vorspiegelung umfassender Weisheit sich umgekehrt proportional zur tatsächlichen Intelligenz verhält. Und das quer durch alle Berufsgruppen. Bescheidenheit ist keine Zier mehr - und das gilt für alle Akteure der Erklärerbranche, die Verfasser von Leitartikeln miteingeschlossen.
Dabei ist die Hilflosigkeit der vorgeblichen Alleswisser fast peinlich offensichtlich. Und das bezieht sich nicht nur auf die Erschütterungen, die die Politik unserer liberalen Gesellschaft durcheinanderwirbeln, sondern auch auf die Konfliktkonstellationen in den großen Fragen von Politik und Wirtschaft.
Was viele nicht verstehen wollen (oder können): Nichts höhlt das Ansehen und das Vertrauen in die Demokratie schneller und verlässlicher aus als Ankündigungen und Versprechungen, auf die dann keine Taten folgen. Und dabei hilft es auch nicht wirklich, wenn die im Brustton der absoluten Überzeugung vorgetragenen Standpunkte nach Lust und Laune ins Gegenteil verkehrt werden.
Weder für den von außen befeuerten Bürgerkrieg in Syrien noch für den atomar gerüsteten Totalitarismus in Nordkorea, weder für die Bewältigung des Klimawandels noch für das Management der Globalisierung stehen einfache Lösungen parat. Schon gar nicht für eine Supermacht, die seit Jahrzehnten beharrlich daran scheitert, ein Gesundheitssystem für alle Bürger zu vernünftigen Kosten auf die Beine zustellen.
Tatsächlich gibt es für solche Probleme womöglich keine Lösung im herkömmlichen Sinne. Als es noch zwei Supermächte gab, verständigten sich die beiden Blöcke darauf, die Gefahr eines selbstzerstörerischen Krieges durch einen Dauergesprächsprozess, die KSZE, zu bannen. Dieser begann 1973 und dauert in adaptierter Form bis heute an, mit enormen Fortschritten und zahlreichen Rückschlägen. Aber so funktioniert Politik in komplizierten Zeiten.