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Alljährlicher Rechtswalzer

Von Werner Reisinger

Politik

Der von der Wiener FPÖ organisierte Akademikerball sorgt erneut für Proteste, mit Ausschreitungen wird nicht gerechnet.


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Wien. Es gibt wohl kaum eine Veranstaltung, die so symbolhaft für die Stellung des nationalen Lagers in der österreichischen Politik und Gesellschaft steht wie der Wiener Akademikerball. Über die Grenzen hinaus wird der heute abermals in der Wiener Hofburg stattfindende Ball, der bis vor drei Jahren noch unter dem Namen "Ball des Wiener Korporationsrings" (WKR-Ball) firmierte, Persönlichkeiten aus dem rechten Spektrum anziehen - auf der Besucherliste der letzten Jahre fanden sich beispielsweise die Chefin der rechtsextremen französischen Partei Front National, Marine Le Pen, oder Filip de Winter vom flämischen Vlaams Belang.

Dass schlagende Burschenschafter, rechte Politiker und andere Szene-Größen alljährlich in zeitlicher Nähe zum Holocaust Gedenktag (27. Jänner) ausgerechnet in den repräsentativen Räumen der Hofburg das Tanzbein schwingen, ist seit jeher für die Linke und die Zivilgesellschaft Anlass zu heftigen Protesten. In den letzten Jahren demonstrierten sowohl politisch breit organisierte Bündnisse wie auch mehr oder weniger linksradikale Organisationen gegen den Ball, der als Vernetzungstreffen der europäischen rechtsextremen Szene kritisiert wird. 2014 machten Ausschreitungen von linksextremen Ballgegnern in der Innenstadt international Schlagzeilen, es kam zu Sachbeschädigungen an Geschäftslokalen in der Höhe von rund einer Million Euro, 20 Personen wurden festgenommen. Zahlreiche Demonstranten waren mit Bussen aus Deutschland angereist. Für einen Skandal sorgte die Verhaftung von Josef S., einem Studenten aus Jena, der schließlich wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu acht Monaten bedingt verurteilt worden war.

Großeinsatz der Polizei

Wie jedes Jahr werden der Akademikerball und die Proteste dagegen von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet werden. Laut Johann Gollop, Pressesprecher der Landespolizeidirektion Wien, werden zwischen 2500 und 2800 Einsatzkräfte sowohl die Veranstaltung als auch die Demonstrationen sichern. Rund 800 Beamte aus den Bundesländern sind zur Unterstützung im Einsatz, 29 Kamerateams der Polizei werden die Proteste überwachen. Auch heuer gibt es ein Platzverbot rund um die Hofburg (siehe Grafik), angemeldet sind zwei Demonstrationen und eine Standkundgebung am Heldenplatz. Autofahrer müssen mit massiven Behinderungen rechnen und werden ersucht, die Wiener Innenstadt großräumig zu umfahren.

Es sei zwar nicht auszuschließen, jedoch eher unwahrscheinlich, dass es auch heuer wieder zu Ausschreitungen kommen wird, heißt es vonseiten der Polizei. Es gebe zwar von einigen Demo-Organisatoren vereinzelte Aufrufe zu Blockaden, Gewaltaufrufe seien den Behörden aber heuer noch nicht zu Ohren gekommen. Dies sei ob der "angespannten gesellschaftlichen Situation" - Stichwort Asylthema - eigentlich verwunderlich, so Gollop zu "Wiener Zeitung". In einschlägigen Foren und in den sozialen Medien werde jedoch eine weitaus weniger aggressive Sprache verwendet, als dies in den letzten Jahren der Fall gewesen sei.

Auch in Kreisen linker Aktivisten geht man dem Vernehmen nach eher von einem ruhigen Verlauf der heutigen Protestaktionen aus. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich das nach eigener Bezeichnung linksradikale Bündnis "NOWKR" im Vorjahr aufgelöst hatte, nachdem die von ihm geplante Demonstration polizeilich untersagt worden war. Es sollen vor allem Aktivisten des autonom-anarchistischen Bündnisses gewesen sein, die für die Eskalationen 2014 verantwortlich zeichneten. Die autonome Szene verzichtet heuer auf eigene, konzertierte Aktionen - was deren Wortführer nicht daran hindert, im Internet den Organisatoren der angemeldeten Kundgebungen, beispielsweise der "Offensive gegen Rechts", einen "Verfall des Inhalts und des Anspruchs" der Proteste zu unterstellen.

Protest wird kreativer

Die "Offensive gegen Rechts" habe "nicht einmal mehr dazu aufgerufen, den Ball zu verhindern oder zu blockieren", ist auf einschlägigen Webseiten zu lesen. Dies bezeuge die "Machtlosigkeit linksradikaler Gruppen" in der "Offensive gegen Rechts" gegenüber der Sozialdemokratie.

Diese unterstützt, zusammen mit Gewerkschaft und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen, die Standkundgebung "Jetzt Zeichen setzten", bei der ab 19 Uhr am Heldenplatz unter anderem Volkshilfe-Chef Erich Fenninger sowie der Linzer Datenforensiker und Antifaschist Uwe Sailer sprechen werden.

Zu bemerken ist jedenfalls eine Zunahme kreativer Protestformen und karitativer Projekte. Den Widerstand gegen den Ball in Spendenfreudigkeit ummünzen, das will beispielsweise die Initiative "aufstehn". Ziel ist, durch Spenden in der Höhe der Preise der Ballkarten die rechte Tanzveranstaltung symbolisch "umzudeuten", um die Einnahme dann Flüchtlings-Projekten zu Gute kommen zu lassen. Als alternative Gegenveranstaltung findet heuer zum zweiten Mal der sogenannte "Good-Ball" im Fluc im 2. Bezirk statt. Unter dem Motto "tanzen für Kohle" sollen Spenden für das Projekt "Flüchtlinge Willkommen Österreich" und für das Beratungszentrum "Hemayat" gesammelt werden. Und so wie schon in den letzten Jahren, haben sich einige Wiener Taxifahrer dazu entschlossen, die Proteste zu unterstützen, indem sie Ballbesuchern die Fahrt zur Hofburg verweigern.